9. Vergabe öffentlicher Aufträge qualitätsorientiert gestalten

Freie Berufe

Die planenden Berufe bekennen sich zum qualitätsorientierten Leistungswettbewerb. Der Preis darf bei der Vergabe von Planungsleistungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, denn während die Planungshonorare lediglich zwei Prozent der Lebenszykluskosten eines Gebäudes ausmachen, beeinflusst die Planungsleistung über 90 Prozent dieser Kosten. Dabei ermöglicht nur eine von der Bauausführung unabhängige Planung die für den Bauherrn notwendige Qualitätssicherung in wirtschaftlicher, funktionaler und gestalterischer Hinsicht. Neben der erforderlichen Anpassung der HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure wird eine qualitätsorientiere Vergabepraxis daher umso wichtiger für die Zukunft der gebauten Umwelt.


9.1 Wie stärken Sie qualitätsorientierte Vergabeinstrumente wie Planungswettbewerbe und Konzeptvergabeverfahren?

SPD

Bei großen wie kleinen Bauvorhaben haben sich qualitätsorientierte Verfahren des Ideen-Wettstreits um die beste Lösung für städtebauliche, architektonische, baulichkonstruktive oder künstlerische Aufgaben bewährt. Wettbewerbe fordern im wetteifernden Vergleich die schöpferischen Kräfte heraus und fördern innovative und nachhaltige Lösungen für eine zukunftsgerechte Umweltgestaltung. Die Maßgabe der zu erwartenden Kosten muss im Kontext betrachtet werden; günstiger ist nicht gleich immer besser. Bei allen Entscheidungen sind die ökonomischen, ökologischen und sozialen Standards gleichermaßen zu berücksichtigen. Für die Zukunft ist es wichtig, dass die Vergabeverfahren in digitalen Standard-Formen erfolgen, um die Kosten und den Zeitwettlauf gering zu halten. Darüber hinaus müssen die Bürger*innen bei Baumaßnahmen des öffentlichen Interesses bereits bei der Bestimmung der Ziele des Wettbewerbs miteinbezogen werden und die Möglichkeit des digitalen Austausches erhalten, ohne den Gesamtprozess zu verlangsamen. So sind Wettbewerbe ein hervorragendes Instrument der öffentlichen Vermittlung von Architektur und Baukultur.

GRÜNE

Qualitätsorientierte Vergaben gerade von Grund und Boden sind von erheblicher Bedeutung für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Dabei spielen Konzeptvergaben eine sehr wichtige Rolle, denn hier wird Grund und Boden für Bebauung und andere Nutzungen nach dem besten, qualitätsvollsten Konzept zu einem festen Preis vergeben, statt nach dem höchsten Preis. Die öffentliche Hand muss hier vorbildlich voran gehen und dies bei Planung und Bau bundeseigener Gebäude und Liegenschaften entsprechend anwenden. Planungswettbewerbe müssen auch neue, junge Architektur- und Planungsbüros einbeziehen und sollten wo immer möglich offen gestaltet werden. Wir stärken die Kommunen darin, Konzeptvergaben anzuwenden, mit Hilfe einer am Gemeinwohl orientierten Bodenpolitik des Bundes, die Boden günstiger bereit stellt und den Kommunen die aktive Bodenpolitik erleichtert.

FDP

Planungswettbewerbe sind aus Sicht der Freien Demokraten ein anerkanntes und bewährtes Instrument zur Sicherung von Planungsqualität und Baukultur in Deutschland. Die große Bandbreite an Lösungsvorschlägen und die qualifizierte Beurteilung der Entwürfe durch ein Preisgericht sind gerade für öffentliche Auftraggeber ein wertvoller Beitrag, um hochwertige Lösungen für die angestrebten Maßnahmen zu erhalten. Dennoch befürchten viele Verwaltungen, dass der damit zusammenhängende Aufwand zu hoch und die Ergebnisse nicht praxistauglich sind. Um diese Bedenken abzubauen, müssen nach unserer Ansicht insbesondere kleinere Gemeindeverwaltungen bei der Gestaltung und Durchführung von Planungswettbewerben unterstützt werden. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Gemeindeverwaltungen über die Erfahrungen mit Wettbewerbsverfahren oder der Einsatz von erfahrenen Projektmanagern könnte die Ängste der Verwaltungen mindern und zu einer deutlich häufigeren Nutzung des Instruments führen.

DIE LINKE

Ein gemeinwohlorientierte, soziale und ökologische Stadtentwicklung darf bei der Grundstücksvergabe nicht auf die Höhe des Verkaufspreises oder Erbbauzinses setzen. Planungswettbewerbe und Konzeptverfahren, mit denen Kommunen Kriterien für die Entwicklung von Grundstücken aufstellen, sind eine in vielen Städten erprobte Alternative. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass öffentliche Grundstücke grundsätzlich im Erbbaurecht und mit Konzeptausschreibungen vergeben werden. Durch eine Reform der Bundeshaushaltsordnung sowie des BImA-Gesetzes wollen wir das auf Bundesebene sicherstellen. Konzeptverfahren und allgemein eine gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung können administrativ aufwändiger und mit beihilfe- und vergaberechtlichen Hürden konfrontiert sein. Um sowohl die Kommunen als auch Genossenschaften, gemeinnützige Träger und Initiativen beim damit verbundenen Aufwand zu unterstützen, sollen sie dafür Mittel aus der Städtebauförderung bekommen können.

CDU/CSU

Konzeptvergabeverfahren können Städten und Gemeinden als Steuerungsinstrumente zur sozialen und am Gemeinwohl orientierten Bodenpolitik dienen. Bereits heute erleichtert die finanzielle Förderung von Wettbewerbsverfahren oder Konzeptvergabeverfahren durch die Städtebauförderung den Städten und Gemeinden deren Einsatz. Insbesondere kleine Kommunen, die bislang kaum Erfahrungen mit Wettbewerben oder Konzeptvergaben haben, haben so die Möglichkeit, durch eine finanziell unterstützte Beauftragung externer Dienstleister zur Verfahrensdurchführung für eine hohe Baukultur und qualitätsvolle Bestandsentwicklung in Städtebauförderungsgebieten zu sorgen. Im BBSRBBSR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung-Forschungsprojekt „Baukultur für das Quartier. Prozesskultur durch Konzeptvergabe“ wurde das Spektrum der Konzeptvergaben in Deutschland untersucht. Aus der Analyse von elf Verfahren wurden erste Empfehlungen für Kommunen zur Durchführung von Konzeptverfahren entwickelt.

AfD

Wir sind dafür offen. Der offene und freie Wettbewerb ist uns heilig.


9.2 Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass die öffentlichen Bauherren die zur Verfügung stehenden Vergabeverfahren optimal anwenden, um sowohl in der vorbereitenden Bauleitplanung als auch nachfolgend in der so genannten Leistungsphase 0 mehr Planungskompetenz zu erhalten?

SPD

Keine Antwort eingegangen.

GRÜNE

Wir stärken entsprechende Vergaben mit den in Antwort 1 genannten Instrumenten und in den Bundesprogrammen, wie etwa der Städtebauförderung. Hier fordern wir eine gute qualitätsvolle Planung in der Phase 0 ein, durch integrierte Stadtentwicklungskonzepte oder auch, bei der energetischen Quartierssanierung, durch entsprechende kommunale Wärmepläne, fachkundige Planung und Baubegleitung sowie Abnahme der Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind ebenfalls förderfähig und teilweise auch Fördervoraussetzung. Darüber hinaus stärken wir die Kommunen durch Altschuldenhilfe und verbesserte Finanzausstattung, und durch abgesenkte bis erlassene Kofinanzierungsbeiträge für finanzschwache Kommunen. Beim Bundesbau setzen wir auf die konsequente Umsetzung des Prinzips „Erst Planen, dann Bauen“. Eine fertige Planung ist vor Abschluss des Bauvertrags verbindlich festzuschreiben. Dazu wollen wir die Vergabeordnung überarbeiten und qualititative Kriterien einfügen.

FDP

Keine Antwort eingegangen.

DIE LINKE

Keine Antwort eingegangen.

CDU/CSU

Keine Antwort eingegangen.

AfD

Wir sind dafür offen.


9.3 Was werden Sie unternehmen, damit die bestehende Auftragswertberechnung bei Planungsaufträgen gegenüber der EUEU Europäische Union-Kommission verteidigt wird und zudem eine notwendige und damit entbürokratisierende Anhebung der Schwellenwerte erfolgt?

SPD

Planungsleistungen sind in Deutschland nicht bestimmten Berufsständen vorbehalten, die einer zwingenden berufs- oder kammerrechtlichen Aufsicht in Bezug auf ihre Qualifikation unterliegen, sondern neben Architekt*innen und Ingenieur*innen können diese Leistungen auch von anderen, nicht reglementierten Dienstleistern erbracht werden. Um aus Planungsaufgaben Vorbehaltsaufgaben zu machen – bei Architekt*innen ist nur die Berufsbezeichnung geschützt, nicht wie bei Ärzt*innen oder Rechtsanwält*innen die Berufsausübung – müssten 16 Länderarchitektengesetze und 16 Bauordnungen geändert werden. Hier fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz: Architektenrecht und Bauordnungsrecht sind Ländersache. Der EuGHEuGH Europäischer Gerichtshof hatte die Vereinbarkeit der verbindlichen Mindestsätze mit EU-Recht mit der Begründung abgelehnt, dass in Deutschland Planungsleistungen auch von nicht hierfür qualifizierten Personen erbracht werden dürfen. Grundsätzlich gilt, dass die Planungsleistungen von Architekt*innen, Stadtplaner*innen oder Ingenieur*innen zu erbringen sind.

GRÜNE

Die bestehende Auftragswertberechnung ist geeignet, die mittelständische Struktur der planenden Berufe widerzuspiegeln und auch die kommunalen Vergabestellen nicht zu überfordern. Wir wollen daran festhalten.

FDP

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass die aktuelle Regelung, nach der bei Planungsleistungen nur gleichartige Leistungen zusammenzurechnen sind, erhalten bleibt. Ohne diese pragmatische Regelung werden die Wettbewerbsbedingungen zu Gunsten größerer Unternehmen beeinflusst und gerade kleinere Planungs‐ und Ingenieurbüros wären in ihrer Existenz gefährdet. Zugleich fordern wir, die Vergabeschwellenwerte für 2020 und 2021 zu erhöhen, damit Investitionen schneller umgesetzt werden.

DIE LINKE

DIE LINKE will keinen Wettbewerb um den niedrigsten Preis, sondern um Planungsleistungen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, ökologischen Kriterien gerecht werden und eine gute, sichere Bezahlung der Leistungen bieten. Entsprechend haben wir uns auch in der Debatte zur HOAI-Novellierung positioniert. Die Klage der EU-Kommission gegen die HOAI betrachten wir als einen Angriff auf die gesetzliche Festlegung angemessener Löhne zugunsten eines vermeintlich marktwirtschaftlichen Preiswettbewerbs, zum Nachteil von Planer*innen, Architekt*innen und Ingenieur*innen. Wir treten für Regelungen ein, die angemessene Honorare und eine sichere finanzielle Existenz auch für kleine Planungs- und Ingenieurbüros garantiert.

Die Klage der EU-Kommission gegen die Honorarordnung (HOAI) rekurrierte auf einen vermeintlich freien Wettbewerb und die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt. Honorarordnungen wie auch andere Regularien für bestimmte Berufe und Qualifikationsanforderungen sind in dieser Sicht stets ein „Hindernis“. Dies ist ökonomischer Unsinn, sozialpolitisch fatal und schafft keinen qualitativen Wohlstand. Wettbewerbsrechtliche Blindheit führt meist nur zum Preiskampf und Verdrängungswettbewerb und fördert legales/illegales Ausweichverhalten – sei es durch komplexe Subunternehmerstrukturen (Bau, Schlacht- und Fleischbetriebe, Pflege) als auch bei der selbstständigen Berufsausübung (steuerrechtliche Schlupflöcher, fehlerhafte Qualifikationsnachweise etc.) Wir lehnen diesen falschen Ansatz entschieden ab. Was wir nicht ablehnen ist ein Qualitätswettbewerb bei guten Löhnen/Honoraren und solider sozialer Absicherung auf hohem Niveau für Beschäftigte und Selbstständige.

CDU/CSU

Das europäische Vergaberecht ist nur auf öffentliche Aufträge oberhalb eines bestimmten Auftragswertes anwendbar. Überschreitet der Wert eines Auftrages diese Wertgrenzen, muss die Auftragsvergabe insbesondere europaweit bekannt gemacht werden. Wie der Auf-tragswert zu berechnen ist, wird durch das europäische Recht abschließend vorgegeben. Ein nationaler Umsetzungsspielraum besteht hier nicht. Wir sehen aber die Notwendigkeit, die EU-Schwellenwerte regelmäßig im Hinblick auf ihre Sachgerechtigkeit zu überprüfen und mindestens inflationsbedingte Anpassungen vorzunehmen. Grundsätzlich wollen wir das EU-Vergaberecht im Sinne des Bürokratieabbaus modernisieren.

AfD

Wir sind dafür offen.


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