Ausgabe 1/2021 vom 29. Januar 2021
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Mit den besten Wünschen für ein erfolgreiches und gesundes Neues Jahr!
Ihr Team im EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
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INHALTSVERZEICHNIS
1 INSTITUTIONELLES/ÜBERGREIFENDE THEMEN
1.1 BILANZ DER DEUTSCHEN EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
Am 31. Dezember endete die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die insbesondere durch den Umgang mit der Corona-Pandemie geprägt war. Mit den Beratungen zum Mehrjährigem Finanzrahmen (MFR), dem EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027, konnte Deutschland einen der Schwerpunkte seines Präsidentschaftsprogramms erfolgreich abschließen und bei der Mittelverwendung den Fokus auf Klimaschutz und Digitalisierung stärken. Mindestens 30 Prozent der EU-Ausgaben in den nächsten sieben Jahren sollen in den Klimaschutz fließen. Damit ist zudem der Start neuer EU-Förderprogramme ab 2021 sichergestellt, so auch des Programms Kreatives Europa mit seiner neuen Architekturförderung (siehe auch Ziff. 4.1). Ferner gelang es der Ratspräsidentschaft, unter den Mitgliedstaaten eine Einigung zum EU-Klimaziel 2030 zu erzielen, wonach Emissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um mindestens 55 Prozent reduziert werden sollen. Langfristig sollen auf dieser Basis weitere EU-Rechtsakte zu Energie und Klima, so etwa die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, angepasst werden, die für den Berufsstand relevant sind.
Eine ausführliche Bilanz zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier.
1.2 PORTUGIESISCHE EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
Am 1. Januar hat Portugal zum vierten Mal die Ratspräsidentschaft übernommen. Unter dem Motto “Zeit zu liefern: ein fairer, grüner und digitaler Aufschwung” wird es in enger Kooperation mit Deutschland und Slowenien das Programm der Trio-Präsidentschaft fortsetzen. So wird Portugal sich für ein koordiniertes europäisches Vorgehen im Umgang mit der Corona-Pandemie und die Erholung der europäischen Wirtschaft, gestützt auf den digitalen und nachhaltigen Wandel, einsetzen. Ferner möchte es mit der Umsetzung des neuen Mehrjährigen EU-Finanzrahmens (MFR) und der EU-Instrumente für Konjunkturbelebung beginnen. Der Vorsitz strebt zudem an, die Beratungen mit dem Europäischen Parlament zum EU-Klimagesetz zur Festlegung der Klimaneutralität bis 2050 abzuschließen und den Green Deal weiter umzusetzen. Dabei ist auch die Renovierungswelle zur Sanierung des Gebäudebestandes in Europa ein wichtiges Vorhaben, das für den Berufsstand relevant ist.
Ausführlichere Informationen zur Ratspräsidentschaft Portugals sowie zum Programm finden Sie hier.
1.3 BREXIT – HANDELS- UND KOOPERATIONSABKOMMEN ZWISCHEN DER EUROPÄISCHEN UNION UND DEM VEREINIGTEN KÖNIGREICH
Ende 2020 ist das Vereinigte Königreich (VKVK Vereinigtes Königreich) aus der EU ausgetreten und somit nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Die EU-Regelungen zur Freizügigkeit und die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG gelten damit für das VK nicht mehr, mit der Folge, dass auch die Regelungen über die automatische Anerkennung von Berufsqualifikationen keine Anwendung mehr finden. Ähnlich wie im Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement/CETACETA Comprehensive Economic and Trade Agreement) müssen interessierte Berufe zunächst in einer gemeinsamen Erklärung ihr Interesse an einer Berufsanerkennung bekunden. Der Architects’ Council of Europe und das Architects’ Registration Board im VK (ARBARB Architects’ Registration Board) haben eine gemeinsame Taskforce aufgestellt, in der zurzeit über die zukünftige Ausgestaltung der Beziehung und eine Berufsanerkennung beraten wird.
Das Europe-Direct-Kontaktzentrum der Europäischen Kommission ebenso wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie haben eine Brexit-Helpline für alle Fragen im Zusammenhang mit den künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich eingerichtet.
Näheres zum Beratungsangebot finden Sie hier.
2 STÄRKUNG FREIBERUFLICHKEIT UND FÖRDERUNG MITTELSTAND
2.1 BINNENMARKT FÜR DIENSTLEISTUNGEN: EUROPÄISCHER KOMPETENZRAHMEN FÜR FACHKRÄFTE DES ÖFFENTLICHEN BESCHAFFUNGSWESENS
Die Europäische Kommission hatte im Oktober 2017 eine „Empfehlung zur Professionalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe“ veröffentlicht, mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, Maßnahmen für eine größere Professionalisierung der Vergabestellen zu ergreifen. Nunmehr hat sie ein Instrument ProcurCompEU vorgestellt, das hierbei unterstützen soll. Darin werden 30 Schlüsselkompetenzen genannt, die für das öffentliche Beschaffungswesen bedeutsam sind und die einen gemeinsamen Referenzrahmen für Fachkräfte darstellen. Es kann als Leitfaden für die Selbstbewertung mit praktischen Leitlinien genutzt werden. Das Instrument ist von der Direktion Vergabewesen in der Generaldirektion Binnenmarkt entwickelt worden und steht kostenlos zur Verfügung.
Sie finden es hier.
3 NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE PLANEN UND BAUEN
3.1 NEUES EUROPÄISCHES BAUHAUS – START DER DESIGNPHASE
Am 18. Januar hat offiziell die erste von drei Phasen der Initiative zu einem Neuen Europäischen Bauhaus, die sogenannte „Co-design“-Phase, begonnen, in der Ideen und Projekte gesammelt werden. Sie wurde mit einer Pressekonferenz der Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend Mariya Gabriel und der Kommissarin für Kohäsion und Reformen Elisa Ferreira eröffnet. Die Vision für ein neues Europäisches Bauhaus als einen Raum für Debatte und Gestaltung zur Verbindung von Nachhaltigkeit mit Ästhetik war erstmals im September 2020 von Ursula von der Leyen vorgetragen worden.
Die BAKBAK Bundesarchitektenkammer begrüßt ausdrücklich das Vorhaben eines neuen Europäischen Bauhauses und hat hierzu im Dezember 2020 eine Resolution verabschiedet. Die BAK sieht in der Initiative die Chance, den Wert qualitätvoller Planung sowie die Kompetenzen von Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen in den Fokus zu rücken. Positiv hervorzuheben ist der partizipative sowie der ganzheitliche Ansatz der Europäischen Kommission. Sowohl im Architects’ Council of Europe als auch in der BAK haben in Diskussionsrunden Überlegungen begonnen, wie konkreter zu der Initiative beigetragen werden kann.
Die Webseite zum neuen Europäischen Bauhaus finden Sie hier.
3.2 RATSSCHLUSSFOLGERUNGEN ZU KREISLAUFWIRTSCHAFT UND DIGITALISIERUNG
Der Umweltministerrat hat im Dezember Schlussfolgerungen zum Thema „Den Aufbau kreislauffähig und grün gestalten“ angenommen. Damit positioniert er sich zum neuen Aktionsplan der Europäischen Kommission für die Kreislaufwirtschaft vom März 2020. Es wird insbesondere die Rolle der Kreislaufwirtschaft bei der wirtschaftlichen Erholung nach der COVID-19COVID-19 Corona Virus Disease 2019-Pandemie herausgestellt. Ferner unterstützt der Rat verbindliche Kriterien für ein umweltgerechtes öffentliches Beschaffungswesen. Zum Bauwesen und Gebäuden fordert er integrierte Grundsätze der Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus hinweg und begrüßt den umfassenden Ansatz der Kommission für die bauliche Umwelt. Zudem seien soziale Aspekte der Ökologisierung sowie geeignete Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für alle mit dem Bausektor zusammenhängenden Berufe wichtig. In diesem Zusammenhang begrüßt er auch die Renovierungswelle für Gebäude, die zum Erhalt des kulturellen Erbes und städtischer Strukturen beitrage. Renovierungsarbeiten seien nach den höchsten Leistungsstandards durchzuführen. Dies entspricht auch der Position der BAK zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (vgl. Stellungnahme vom September 2020). Zum Thema Digitalisierung betont der Rat, dass diese zu Gunsten der Kreislaufwirtschaft weiter auszuschöpfen sei. Hierzu nahm er weitere Schlussfolgerungen zur “Digitalisierung zum Wohle der Umwelt“ an.
Zur Pressemitteilung des Rates zur Kreislaufwirtschaft gelangen Sie hier, zur Digitalisierung hier.
3.3 MAMA MasterßNAHMEN FÜR KLIMAFREUNDLICHES BAUEN UND SANIEREN IM DEUTSCHEN AUFBAU-UND RESILIENZPLAN
Deutschland hat im Dezember 2020 der Europäischen Kommission den Entwurf seines Aufbau- und Resilienzplans (DARP) vorgelegt. Auf Grundlage der nationalen Pläne können die Mitgliedstaaten finanzielle Hilfen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) der EU zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise sowie für Reformmaßnahmen u.a. im Bereich Digitalisierung, Bildung und Klimawandel erhalten. Deutschland stehen aus der ARF Zuschüsse von rund 23,6 Milliarden Euro zu. Die BAK hat gemeinsam mit anderen Verbänden die Bundesregierung aufgefordert, konkrete Maßnahmen für ein klimafreundliches Sanieren und Bauen aufzunehmen. Im Entwurf sind folgende Initiativen enthalten: die Weiterentwicklung des klimafreundlichen Bauens mit Holz, die Errichtung kommunaler Reallabore der Energiewende und die Bundesförderung effizienter Gebäude. Für diese Maßnahmen liegen die geschätzten Kosten bei insgesamt 2,6 Milliarden Euro, was etwa 9 Prozent der geschätzten Gesamtkosten entspricht. Die Kommission sieht bei den aufgeführten Maßnahmen Nachbesserungsbedarf. Einige Initiativen seien eher Subventionen als strukturelle Reformen. Da die Gelder an die EU-Reformempfehlungen des Europäischen Semesters gekoppelt sind, sieht sie auch Handlungsbedarf bei der Öffnung der reglementierten Berufe, wie im Architekturbereich. Die endgültige Fassung der Pläne wird im April vorgelegt.
Den Entwurf des DARP finden Sie hier.
4 ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE STADT UND LÄNDLICHER RAUM
4.1 KREATIVES EUROPA – EINIGUNG AUF NACHFOLGEPROGRAMM 2021-2027 MITMIT Massachusetts Institute of Technology NEUER SEKTORFÖRDERUNG FÜR ARCHITEKTUR
Das Europäische Parlament und der Rat haben sich im Dezember auf die Fortsetzung des EU-Förderprogramms Kreatives Europa geeinigt, mit dem die Kulturbranche und der audiovisuelle Bereich unterstützt werden. Für die Förderperiode 2021 bis 2027 steht ein Budget von 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung, von dem mindestens 33 Prozent in das Teilprogramm Kultur fließen sollen. Zu den förderfähigen Kultursparten gehört auch der Architekturbereich, hier sind folgende Fördermaßnahmen vorgesehen: Mobilität, Kapazitätsaufbau und Internationalisierung, Baukultur, Peer-Learning und Publikumsbeteiligung bei der Verbreitung von Qualitätsprinzipien, nachhaltige Erhaltung, Erneuerung und Umnutzung von kulturellem Erbe sowie Sensibilisierungs- und Netzwerkaktivitäten. Dabei wird auch auf die Erklärung von Davos von 2018 zu hochwertiger Baukultur verwiesen. Weiterhin wird dem Thema Gleichberechtigung und Inklusion, mit dem auch die BAK befasst ist, ein hoher Stellenwert eingeräumt. So sollen künstlerische und berufliche Karrieren von Frauen unterstützt werden.
Aus Sicht der BAK ist die erzielte Einigung zu begrüßen. Sie hatte sich bereits 2018 für eine eigenständige Förderung des Architekturbereichs eingesetzt. Die von ihr in einer Stellungnahme genannten potenziellen Förderschwerpunkte wurden im vorliegenden Text aufgenommen. Zur konkreten Ausgestaltung der Architekturförderung wird der BAK-Vorstand im Februar weiter beraten. Die BAK wird sodann in Koordinierung mit dem ACEACE Architects’ Council of Europe Conseil des Architectes d’Europe den Kontakt mit der Europäischen Kommission aufnehmen.
Weitere Informationen über das neue Programm Kreatives Europa finden Sie hier.
4.2 ENTSCHLIEßUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS ÜBER DEN ZUGANG ZU ANGEMESSENEM UND ERSCHWINGLICHEM WOHNRAUM
Das Europäische Parlament hat Mitte Januar eine Entschließung zum Thema „Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum für alle“ angenommen. Darin werden die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, sicherzustellen, dass das Recht auf angemessenen Wohnraum anerkannt wird. Dazu gehörten auch der Zugang zu sauberem Trinkwasser, angemessener Sanitärversorgung und Hygiene, hochwertigen Innenräumen sowie der Anschluss an Abwasser- und Wassernetze und an erschwingliche, nachhaltige Energie. Es werden verbindliche Mindestanforderungen für gesunde Wohnräume gefordert. Als weitere wichtige Themen hebt das Parlament Inklusion, die Gleichstellung der Geschlechter, den sozialen Wohnungsbau, die Bekämpfung von Energiearmut, den Zugang zu Grünflächen sowie die Auswirkungen von Tourismus auf Wohnungspreise hervor. Es fordert die Mitgliedstaaten auf, stets die Qualität des Wohnraums in Bezug auf Stadtentwicklung, Architektur und Funktionalität zu berücksichtigen, um die Lebensbedingungen aller zu verbessern. Diese Forderung war so von der BAK eingebracht worden, die im September 2020 Anmerkungen übermittelt hatte.
Aus Sicht der BAK ist die Entschließung als wichtiger politischer Impuls zu begrüßen, auch vor dem Hintergrund des Kongresses „Bezahlbares Wohnen und Bauen – Bilanz der Wohnraumoffensive“, zu dem das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat am 23. Februar einlädt. BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann wird als Sprecherin/ Repräsentantin für die Gruppe der Planenden mitwirken.
Den Entschließungstext finden Sie hier. Weitere Informationen zum Bilanzkongress Wohnraumoffensive finden Sie hier.
5 EU-PROJEKTE
5.1 YESWEPLAN! – VIRTUELLES TREFFEN DER PROJEKTPARTNER MIT MDEP CHRISTINE SCHNEIDER
Am 22.1. fand ein virtueller Austausch zwischen den YesWePlan!-Projektpartnerinnen und Projektpartnern und der deutschen Europaabgeordneten Christine Schneider (EVP) statt. Themen waren die aktuelle Situation der Gleichstellung der Geschlechter in Architektur und Ingenieurwesen sowie mögliche Ansätze, diese in Europa zu etablieren. Als Mitglied des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) im Europäischen Parlament zeigte sich Frau Schneider interessiert an ersten Projekt-Ergebnissen von YesWePlan!. In ihrer Rolle als Schattenberichterstatterin zum FEMM-Initiativbericht zur „Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Ausbildung und Beruf im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT)“ wolle sie diese gerne in ihren Änderungsanträgen mitberücksichtigen. Eine Zusammenfassung wichtiger Anliegen aus Sicht von YesWePlan! wurde nach dem Treffen an Frau Schneider übermittelt. Diese finden Sie hier.
Den FEMM-Berichtsentwurf zur Gleichstellung in den MINT-Berufen finden Sie hier.