Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Dies ist die letzte Ausgabe vor der Sommerpause, den kommenden Bericht versenden wir im September. Wir wünschen Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer!
Ihr Team im EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
Inhaltsverzeichnis
Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Ab 1. Juli hat Deutschland für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne, zuletzt war dies 2007 der Fall. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird aufgrund der Corona-Krise anders verlaufen als ursprünglich geplant. Priorität ist, die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise zu bekämpfen. Weitere Schwerpunkte sind der nächste Mehrjährige Finanzrahmen, Klimaschutz, Digitalisierung, Rechtsstaatlichkeit sowie Europas Rolle in der Welt. Auch die Verhandlungen zur Ausgestaltung des künftigen Verhältnisses der EU zum Vereinigten Königreich fallen in die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft. Diese Themen spielen gleichzeitig bei der Bewältigung der aktuellen Krise eine große Rolle.
Für den Berufsstand sind die Themen Klimaschutz, Energieeffizienz bei Gebäuden, KMU-Förderung, Digitalisierung und die Neuauflage der Leipzig-Charta besonders wichtig. Die Präsidentschaft bildet ein Trio mit Portugal und Slowenien in 2021. Die drei Staaten haben ein gemeinsames Programm abgestimmt.
Das vollständige Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft finden Sie hier.
Stärkung Freiberuflichkeit und Förderung Mittelstand
Bericht der Europäischen Kommission zur Datenschutzgrundverordnung
Die Europäische Kommission hat am 24.6.2020 einen Bericht zur Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) veröffentlicht. Danach habe die DSGVO die meisten ihrer Ziele erreicht, insbesondere aufgrund des darin neu geschaffenen europäischen Governance- und Durchsetzungssystems. Auch bei der Unterstützung digitaler Lösungen in unvorhersehbaren Situationen wie der COVID-19COVID-19 Corona Virus Disease 2019-Krise habe sich die DSGVO als nützlich und flexibel erwiesen. Es wird festgestellt, die Harmonisierung des Datenschutzes in den Mitgliedstaaten nehme zu. Zudem entwickelten Unternehmen eine Compliance-Kultur und nutzten starken Datenschutz immer häufiger als Wettbewerbsvorteil.
Die BAKBAK Bundesarchitektenkammer hatte sich im Vorfeld der Evaluierung an einer öffentlichen Konsultation der Kommission beteiligt und eine Stellungnahme mit den Belangen des Berufsstands zur Umsetzung abgegeben. Sie weist darauf hin, dass viele Regelungen in der Verordnung mit hohem administrativem und finanziellem Aufwand verbunden sind. Vor allem für kleinere Büros unter 50 Mitarbeitern ist dieser oft nicht verhältnismäßig.
Den Bericht der Europäischen Kommission finden Sie hier. Die Stellungnahme der BAK finden Sie hier.
Staatliche Beihilfen: Kommission schlägt Ausweitung der befristeten Beihilfen vor
Die Europäische Kommission hat den Mitgliedstaaten am 12.6.2020 einen weiteren Vorschlag zur Erweiterung des am 19.3.2020 angenommenen Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Konsultation vorgelegt. Sie schlägt nunmehr vor, den Anwendungsbereich des Befristeten Rahmens auszuweiten, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, bestimmte Kleinst- und Kleinunternehmen, einschließlich Start-ups, zu unterstützen, die sich bereits vor dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten befanden, und Anreize für private Investoren zu schaffen, sich an Rekapitalisierungsmaßnahmen zu beteiligen.
In ihrer Stellungnahme zur EU-KMU-Strategie vom März 2020 hat die BAK darauf hingewiesen, dass Kleinst- und Kleinunternehmen in der Regel über weniger finanzielle Puffer verfügen als größere Unternehmen und daher insbesondere in Krisenzeiten finanzieller Unterstützung sowie schneller und wirksamer Förderinstrumente bedürfen. Über 80 Prozent der Architekturbüros in Deutschland und in den anderen EU-Mitgliedstaaten verfügen über weniger als 5 Mitarbeiter und gehören damit nach dem Verständnis der Kommission zu den Kleinstunternehmen. Aus Sicht des Berufsstandes ist die vorgeschlagene Ausweitung des Rahmens für staatliche Beihilfen daher zu begrüßen.
Weitere Informationen zu dem Kommissionsvorschlag finden Sie hier. Die BAK-Stellungnahme zur EU-KMU-Strategie finden Sie hier.
Digitalisierung: Ratsschlussfolgerungen zur digitalen Zukunft
Der Rat der EU hat am 9.6.2020 Schussfolgerungen zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas angenommen. Darin begrüßt er das Digitalpaket der Europäischen Kommission von Februar 2020 und äußert sich zur Bedeutung der digitalen Technologien für den Wandel der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft für mehr Nachhaltigkeit, insbesondere hinsichtlich der Erreichung der EU-Klimaziele bis 2050. Bezugnehmend auf den EU-Aufbauplan und den Green Deal werden Kommission, Mitgliedstaaten, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft dazu aufgefordert, sich entschlossen an diesem Wandel zu beteiligen. Im Einzelnen beziehen sich die Schlussfolgerungen auf die Themen Netzanbindung, digitale Wertschöpfungsketten, elektronische Gesundheitsdienste, Datenwirtschaft, künstliche Intelligenz und Plattformen.
In der BAK werden diese Themen in der Steuerungsgruppe Digitalisierung und den relevanten Ad-hoc-Arbeitsgruppen beraten, hier wurde zuletzt die BAK-Stellungnahme zum Weißbuch für Künstliche Intelligenz erarbeitet.
Sie finden die Schlussfolgerungen hier.
EP-Sonderausschuss für Künstliche Intelligenz
Das Europäische Parlament hat am 18.6.2020 beschlossen, einen Sonderausschuss für Künstliche Intelligenz für einen Zeitraum von 12 Monaten einzusetzen. Der Sonderausschuss soll untersuchen, wie sich der Einsatz künstlicher Intelligenz auswirken wird. Ferner ist er damit beauftragt, Zwischenschritte und Ziele für die EU vorzuschlagen. Einzelheiten zu den Kompetenzen und dem Mandat des Ausschusses werden in Kürze veröffentlicht. Für die Bildung des Ausschusses stimmten 574 Abgeordnete, 41 waren dagegen, während sich 72 enthielten.
Die BAK hat im Juni eine Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag für ein Weißbuch für Künstliche Intelligenz veröffentlicht und wird die Arbeiten des Ausschusses in der Ad-hoc-Arbeitsgruppe zu KIKI Künstliche Intelligenz begleiten.
Die EP-Pressemitteilung finden Sie hier. Die Stellungnahme der BAK finden Sie hier.
Nachhaltigkeitsstrategie Planen und Bauen
Fahrplan zur Novellierung der Bauproduktenverordnung
Die Europäische Kommission befindet sich hinsichtlich der Novellierung der Bauproduktenverordnung weiterhin in einer Phase der Vorbereitung. Mitte Juni veröffentlichte sie hierzu einen Fahrplan, der den aktuellen Stand der Überlegungen zusammenfasst. Vor dem Hintergrund des Green Deal und des neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft möchte die Kommission das Thema Klima- und Umweltschutz stärker verankern. Die Kommission kündigte an, voraussichtlich erst im dritten Quartal 2021 einen Vorschlag für die Novellierung vorzulegen und nicht wie zunächst geplant unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
Die BAK begleitet die geplante Überarbeitung der Bauproduktenverordnung intensiv über das Referat Architektur und Bautechnik. Sie ist über den Beirat des DINDIN Deutsches Institut für Normung-Normenausschusses Bauwesen (NABau) an der Vorbereitung eines deutschen Eckpunktepapiers mit Umsetzungsvorschlägen beteiligt.
Zum Fahrplan gelangen Sie hier.
Konsultation zur „Renovation Wave“ Initiative
Am 11.6.2020 hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zur sogenannten „Renovation Wave” Initiative gestartet. Diese war im Green Deal und im Kommissionsvorschlag für einen Aufbauplan („Recovery Plan“) angekündigt worden. Ziel ist, Investitionen in die Sanierung von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden anzukurbeln, langfristig die Sanierungsquote zu erhöhen sowie den Gebäudebestand im Hinblick auf die Klimaziele zu dekarbonisieren (vgl. BaB 5/2020). Bis zum 9.7.2020 besteht die Möglichkeit, sich zu der Initiative zu äußern. Die Kommission wird sodann voraussichtlich im Herbst einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen vorlegen. Dieser soll legislative und nicht-legislative Instrumente sowie Vorschläge zu Finanzierungsmodellen umfassen.
Die BAK wird sich an der Konsultation beteiligen. Ein Antwortvorschlag wird derzeit im BAK-Ausschuss Wirtschaft, Energie und Baukultur (WEB) abgestimmt.
Die Konsultation der Europäischen Kommission finden Sie hier.
Smart Readiness Indicator von Gebäuden (SRISRI Smart Readiness Indicator) – Aktueller Stand
Die Kommission bereitet derzeit die fakultative Einführung des sogenannten „Intelligenzfähigkeitsindikators“ (Smart Readiness Indicator/SRI) von Gebäuden vor, die bei der Novellierung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBDEPBD Energy Performance of Buildings Directive) beschlossen wurde. Sie hat Mitte Juni Entwürfe für eine delegierte Verordnung vorgelegt, die Details zur Definition des Indikators und zu Methoden für die Berechnung festlegt, sowie für eine Durchführungsverordnung, die einen gemeinsamen Rahmen für die Einführung in den Mitgliedstaaten vorgibt. So soll eine einheitliche Anwendung des SRI sichergestellt werden.
Mit dem SRI soll die Fähigkeit von Gebäuden gemessen werden, Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) und elektronische Systeme zu nutzen, die den Betrieb und die Versorgung eines Gebäudes an die Bedürfnisse des Nutzers und des Gebäudes anpassen und die Energieeffizienz und die Gesamtleistung des Gebäudes verbessern. Die BAK sieht im elektronischen Monitoring eine Chance, den Betriebsmodus der Gebäudetechnik kontinuierlich zu optimieren sowie energiesparendes Verhalten zu fördern.
Gegenwärtig liegen noch keine detaillierten Aussagen der Bundesregierung zur geplanten Ausgestaltung des SRI vor. Die BAK steht hierzu mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in engem Kontakt.
Den Entwurf der Durchführungsverordnung finden Sie hier, den Entwurf zur delegierten Verordnung hier.
EU-Woche für nachhaltige Energie (European Sustainable Energy Week/EUSEW 2020)
Der Schwerpunkt der diesjährigen EUSEW, die vom 23. bis zum 25.6.2020 als Videokonferenz stattfand, lag auf den Initiativen der Kommission zum Green Deal und dem Recovery Plan nach der Corona-Krise. Hier stand die Sanierung von Bestandsgebäuden und der Ausgestaltung der “Renovation Wave” Initiative im Mittelpunkt. Sprecher von Kommission, Europäischem Parlament, Think Tanks und Interessenverbänden der Wertschöpfungskette Bau waren sich einig, die “Renovation Wave” müsse zur Erreichung der Klimaneutralität und zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise prioritär umgesetzt werden. Aktuell läuft eine öffentliche Konsultation zur Renovation Wave. Die BAK stimmt derzeit im Ausschuss Wirtschaft, Energie und Baukultur (WEB) eine Antwort ab. Ein weiteres Thema, das in der EUSEW diskutiert wurde, war, inwieweit die aktuellen Initiativen im Energiebereich und zur wirtschaftlichen Erholung Frauen im Berufsleben stärken und die Gleichstellung der Geschlechter unterstützen können. Der Energiesektor ist sowohl in der EU als auch weltweit ein Bereich, in dem eine sehr starke Unausgewogenheit der Geschlechter herrscht. Diese Fragen werden auch in der BAK-Projektgruppe Chancengleichheit und in der ACEACE Architects’ Council of Europe
Conseil des Architectes d’Europe-Taskforce „Women in Architecture“ beraten.
Der ACE war wie in den Vorjahren strategischer Partner der Veranstaltung und führte im Rahmenprogramm der EUSEW einen sogenannten „Energy Day“ im Onlineformat durch, bei dem das EU-Projekt „BIMplement“ vorgestellt wurde, an dem er beteiligt ist und in dem Fortbildungsangebote für die Anwendung von BIMBIM Building Information Modeling entwickelt werden.
Entwicklungsperspektive Stadt und Ländlicher Raum
Öffentliche Konsultation zum Einsatz digitaler Technologien für das Kulturerbe
Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation zur digitalen Bewahrung, Zugang und Nutzung des europäischen Kulturerbes gestartet. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Kommissionsempfehlung zur Digitalisierung von Kulturgütern aus dem Jahr 2011 zu überarbeiten und in einen Vorschlag für modernere Regeln zur Online-Zugänglichkeit des Kulturerbes einfließen. Frist zur Beantwortung ist der 14.9.2020.
Die BAK wird sich an der Befragung beteiligen und eine Position in der zuständigen Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Digitalisierung und Bauen im Bestand“ abstimmen.
Weitere Informationen finden Sie hier.