Ausgabe 8/2020 vom 2. November 2020
Bericht aus Brüssel
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Ihr Team im EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
Inhaltsverzeichnis
1. Institutionelles
1.1 NEUES EUROPÄISCHES BAUHAUS – ERSTE VORSTELLUNGEN NACH DER REDE VON KOMMISSIONSPRÄSIDENTIN URSULA VON DER LEYEN ZUR LAGE DER UNION
Mit einem neuen “Europäischen Bauhaus”, das die Kommissionspräsidentin in ihrer Rede zur Lage der Union im September erstmals ankündigte, soll Nachhaltigkeit mit baukulturellen Aspekten verbunden werden. Zusammen mit der Mitteilung über eine Renovierungswelle (siehe Ziff. 3.1) hat die Kommission erste Ideen zum Europäischen Bauhaus veröffentlicht. Danach ist zunächst eine Diskussionsrunde mit Stakeholdern wie Architekten, Künstler, Ingenieure, Studenten und ab 2021 fünf Modellbauhäuser geplant. Eine Plattform mit einem Netzwerk und Projekten guter Praxis soll ab 2023 entstehen. Dies ist für den Berufsstand eine wichtige Botschaft und bietet die Chance, den Wert qualitätvoller Planung sowie die Kompetenzen von Architekten aller Fachrichtungen in den Fokus zu rücken. Es ist eine ständige Forderung der BAKBAK Bundesarchitektenkammer, baukulturelle Aspekte stärker zu berücksichtigen. Sie hat in einem Schreiben an die Kommissionspräsidentin ihre Unterstützung bei den künftigen Maßnahmen angeboten. Sowohl der Architects’ Council of Europe (ACEACE Architects’ Council of Europe Conseil des Architectes d’Europe) als auch die BAK sind nun zu einem Treffen mit der Kommissionspräsidentin eingeladen worden.
Die Information der Kommission zum Europäischen Bauhaus finden Sie hier, eine Pressemittelung der Kommissionspräsidentin hier
1.2 BREXIT / AUSTRITT DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHS ENDE 2020
Am 31. Dezember 2020 ist der Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs (VKVK Vereinigtes Königreich) aus der Europäischen Union nach Ablauf der Übergangszeit. Das Vereinigte Königreich ist ab 1. Januar 2021 nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion. Die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EU wird dann für das VK nicht mehr gelten. Das bedeutet, dass die Regelungen über die automatische Anerkennung von Berufsqualifikationen nicht mehr Anwendung finden. Architektinnen und Architekten, die vorhaben, im VK zu arbeiten, können bis Ende des Jahres noch von den Bestimmungen der Richtlinie hinsichtlich einer automatischen Anerkennung profitieren. Auch Architektinnen und Architekten aus dem VK, die sich in der EU anerkennen lassen wollen, sollten dies vor Ende des Jahres einleiten.
Ein entsprechendes Schreiben des ACE hierzu finden Sie hier.
1.3 EUROPAÏSCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSCHUSS – NEUER VERTRETER DER FREIEN BERUFE
Am 2. Oktober hat der Rat den Beschluss über die neuen Mitglieder im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) gefasst. Für die freien Berufe wurde auf Vorschlag des Bundesverbands der freien Berufe (BFBBFB Bundesverband der Freien Berufe e.V.) Martin Böhme, Geschäftsführer der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz und EU-Bevollmächtigter der Bundesingenieurkammer, benannt. Er ist damit für fünf Jahre der neue Vertreter der freien Berufe im EWSA und löst in dieser Funktion Arno Metzler ab. Sein Stellvertreter ist Andreas Müller aus dem BFB-Büro in Brüssel. Die EWSA-Mitglieder werden von den nationalen Regierungen vorgeschlagen und vom Rat für fünf Jahre ernannt. Die Anzahl der Mitglieder pro Land richtet sich nach dessen Einwohnerzahl. Deutschland entsendet insgesamt 24 Mitglieder. Der EWSA ist wie der Ausschuss der Regionen ein beratendes Organ.
Die vollständige Liste der EWSA-Mitglieder finden Sie hier.
2. Stärkung Freiberuflichkeit und Förderung Mittelstand
2.1 ARBEITSPROGRAMM DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION 2021
Die Europäische Kommission hat am 19. Oktober ihr Arbeitsprogramm für 2021 vorgelegt. Im Mittelpunkt stehen die aktuellen Themen Bekämpfung der Folgen der Krise, Green Deal sowie Digitalisierung. Um bis 2050 ein klimaneutrales Europa zu erreichen, kündigt die Kommission ein Legislativpaket mit dem Titel „Fit for 55“ an, mit dem die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden sollen. Die hierzu geplanten Initiativen reichen von erneuerbaren Energien bis hin zur Energieeffizienz von Gebäuden sowie Emissionshandel. Im Bereich Binnenmarkt hat die Kommission nun ihren Vorschlag zur Einführung einer Dienstleistungskarte, der noch im Arbeitsprogramm für 2020 genannt worden war, endgültig zurückgenommen. Was den weiteren Vorschlag aus dem Dienstleistungspaket von 2017 zur Reform des Notifizierungsverfahrens in der Dienstleistungsrichtlinie angeht, ist auch dieser offiziell zurückgezogen worden. Die Verhandlungen dazu im Trilog waren lange blockiert, ohne dass die Kommission einlenken wollte. Damit sind zwei Vorhaben, die beide von der BAK abgelehnt worden waren, zurückgenommen worden.
Das Arbeitsprogramm finden Sie hier.
2.2 EUROPÄISCHE VERGABEKONFERENZ IM RAHMEN DER DEUTSCHEN EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT
Am 21.Oktober fand eine hochrangige Konferenz zur öffentlichen Beschaffung statt, die durch Bundesminister Peter Altmaier und Binnenmarktkommissar Thierry Breton eröffnet wurde. Minister Altmaier forderte eine flexible Auslegung der Regeln, um gezielt die Folgen der Krise bekämpfen zu können. Auch an eine Anhebung der Schwellenwerte bei Vergaben sei zu denken. Die Redner waren sich einig, dass die EU-Vergaberichtlinien von 2014 ein gutes Gerüst für die aktuelle Situation darstellen. Anpassungen würden gegebenenfalls hinsichtlich Digitalisierung und Professionalisierung erwogen. Deutschland hat unter seiner derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft Schlussfolgerungen zur Vergabe initiiert, die im November vom Rat verabschiedet werden sollen. Hierin wird für mehr Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Behörden sowie administrative Vereinfachungen bei den Verfahren plädiert. Dies entspricht der Position der BAK, die zuletzt über den ACE in einem Schreiben an Kommissar Breton um Vereinfachungen bei Vergaben gebeten hatte.
Das Schreiben finden Sie hier.
3. NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE PLANEN UND BAUEN
3.1 MITTEILUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION ZU EINER RENOVIERUNGSWELLE VOM 14.10.2020 (COM (2020) 662 FINAL)
Am 14. Oktober hat die Europäische Kommission die Mitteilung zu einer Renovierungswelle für Gebäude veröffentlicht. Dabei handelt es sich um einen Aktionsplan, in dem Maßnahmen zur Förderung der Gebäuderenovierung vorgeschlagen werden, um zu Klimaneutralität und wirtschaftlicher Erholung beizutragen. So sollen bis 2030 die jährliche europaweite Sanierungsquote verdoppelt, Hindernisse für Sanierungsvorhaben abgebaut sowie die Energie- und Ressourceneffizienz von Gebäuden gesteigert werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteversorgung, der Bekämpfung von Energiearmut, Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz sowie der Vorbildfunktion von öffentlichen Gebäuden. Die Kommission wird hierfür ab Ende des Jahres verschiedene legislative und nicht-legislative Maßnahmen einleiten. Sie erläutert in der Mitteilung auch die Schritte, die sie sich für das neue Europäische Bauhaus vorstellt,(siehe hierzu Ziff 1.1). Die BAK wird nach der Analyse der einzelnen Initiativen prüfen, wie sie sich positioniert.
3.2 LEVEL(S) – ENDGÜLTIGE FASSUNG VON LEVELS(S) VERÖFFENTLICHT
Die Europäische Kommission hat in Zusammenarbeit mit Interessenvertretern des Gebäudesektors unter dem Namen „Level(s)“ einen Bewertungs- und Berichtsrahmen für die Nachhaltigkeitsleistung von Gebäuden entwickelt. Nach einer zweijährigen Testphase, die im September endete, wurde am 14.Oktober die endgültige Fassung von Level(s) veröffentlicht.
Die BAK hat sich an der Testphase beteiligt. Ihre Vorschläge – so wie eine einfachere Handhabung und die Freiwilligkeit des Tools – sind in die vorliegende Fassung eingeflossen. Level(s) soll als freiwilliges Instrument Informationen zur Umweltleistung und Nachhaltigkeit von Gebäuden liefern und die Ressourceneffizienz im Bausektor zu verbessern.
Das Dokument der Kommission finden Sie hier.
4. ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE STADT UND LÄNDLICHER RAUM
4.1 BAK- UND ACE-VERANSTALTUNG BEI DER EU-WOCHE DER REGIONEN UND STÄDTE
Der ACE zusammen mit der BAK, der European Council of Town Planners (ECTP) und das slowenische Institut für Raumordnungspolitik (IPoP) haben bei der diesjährigen Europäischen Woche der Regionen und Städte am 14.Oktober einen virtuellen Workshop durchgeführt. Im Mittelpunkt stand der Austausch über partizipative Methoden in der Stadtentwicklung. Anhand von konkreten Praxisbeispielen, zum Beispiel der Stadt Löwen in Belgien, wurde diskutiert, wie die Gestaltung der gebauten Umwelt über direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Einbeziehung verschiedener Ebenen beeinflusst werden kann.
Ein Video über die Veranstaltung und eine Zusammenfassung finden Sie auf der ACE-Webseite hier.