Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Dies ist der letzte Bericht aus Brüssel in diesem Jahr. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine schöne Adventszeit, fröhliche Weihnachten sowie ein glückliches und gesundes neues Jahr!
Brigitta Bartsch und Beate Aikens
EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
Inhaltsverzeichnis
Institutionelles
EP und Rat bestätigen die neue Kommission 2019-2024
Das Europäische Parlament hat die neue Europäische Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen am 27.11.2019 in Straßburg mit großer Mehrheit gewählt. Nach Zustimmung des Rates hat die neue Kommission nun am 1.12.2019 ihre fünfjährige Amtszeit angetreten. Ursula von der Leyen stellte den Abgeordneten ihr Team und ihr Programm vor. Sie kündigte an, sie wolle eng mit dem Parlament zusammenarbeiten. Der Anteil der Kommissarinnen ist der höchste aller Zeiten. Neben der Präsidentin besteht das Kabinett aus 11 weiblichen sowie 15 männlichen Mitgliedern. Auch die jeweiligen Kabinette sollen mit einer hohen Anzahl weiblicher Mitglieder besetzt werden.
Der französische Kommissar für den Binnenmarkt Thierry Breton ist damit beauftragt, die Binnenmarktgesetzgebung für den Dienstleistungsbereich durchzusetzen, eine neue Strategie für KMU sowie eine langfristige Industriestrategie für die EU vorzulegen. Ferner soll er einen „Europäischen Rahmen für Künstliche Intelligenz” vorlegen sowie zusammen mit Frans Timmermans am Grünen Deal sowie am neuen Plan für die Kreislaufwirtschaft arbeiten.
Kroatien, das im ersten Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft innehaben wird, kündigte an, sich an den politischen Leitlinien der Kommission orientieren zu wollen und insbesondere die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt zu stellen.
Die BAKBAK Bundesarchitektenkammer hat anlässlich des Amtsantritts der neuen Kommission eine Pressemitteilung mit den europapolitischen Forderungen des Berufsstands veröffentlicht. Ausführliche Informationen zu allen für die BAK relevanten Kommissarinnen und Kommissaren versendet das Büro Brüssel in Kürze.
Die BAK-Pressemitteilung finden Sie hier.
Binnenmarkt und Recht
Alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten – Bericht der Kommission
Die Europäische Kommission hat im September einen Bericht über die Umsetzung der Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (2013/11/EG, ADR-RL) und der Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (524/2013, ODR-VO) vorgelegt. Mit den beiden Instrumenten soll die alternative Streitbeilegung zwischen Verbrauchern und Unternehmen und damit ein hohes Verbraucherschutzniveau gefördert werden. Die Hinweis- und Informationspflichten nach der Richtlinie – in Deutschland durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz umgesetzt – und der Verordnung betreffen auch das Verhältnis von selbstständigen Architekten und Bauherren, die als Verbraucher anzusehen sind. Der Bericht betont, die alternativen Streitbeilegungsmechanismen könnten noch umfassender genutzt werden, indem mehr darüber informiert und Händler und Benutzerbedürfnisse einbezogen würden. Die Kommission will nun die europäische Online-Plattform verbessern, u.a. durch gezieltere Informationen über Verbraucherrechte und Rechtsbehelfe, und im Jahr 2020 eine Konferenz zu dem Thema veranstalten.
Den Bericht der Europäischen Kommission finden Sie hier.
Energie und Nachhaltigkeit
EP-Resolution zur UN-Klimakonferenz COP25 und Strategie zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050
In der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 28.11.2019 haben die Abgeordneten zwei Entschließungsanträge zur Klimapolitik angenommen. In der ersten Entschließung ruft das EP den Klima- und Umweltnotstand aus. Es „fordert die neue Kommission nachdrücklich auf, die Auswirkungen aller einschlägigen Gesetzgebungs- und Haushaltsvorschläge auf das Klima und die Umwelt umfassend zu bewerten und sicherzustellen, dass sie alle vollständig auf das Ziel abgestimmt sind, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“. Beim zweiten Entschließungsantrag handelt es sich um eine Resolution zur UN-Klimakonferenz COP25, in der die EU aufgefordert wird, eine Strategie zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 vorzustellen. Das Parlament unterstreicht darin die „Förderung der Anpassung des städtischen Umfelds“ als vorrangiges Ziel. Damit einhergehend betont es zudem die entscheidende Bedeutung von Städten für die Umsetzung der Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris. Auch die zunehmend wichtige Rolle von nicht-staatlichen, zivilgesellschaftlichen Akteuren beim Kampf gegen den Klimawandel wird hervorgehoben. Zur Energiepolitik appelliert das Parlament, dass „das Problem der Energiearmut im Zuge der Energiewende angegangen werden muss, indem (…) Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden insbesondere für einkommensschwache Haushalte ausgeweitet und sozialpolitische Maßnahmen ergriffen werden“. Aus Sicht des Berufsstandes sind diese Punkte sehr zu begrüßen, da sie die Bedeutung der Expertise von Architekten aller Fachrichtungen im Zusammenhang mit Klimaanpassungsmaßnahmen und einer sozialverträglichen Energiewende verdeutlichen.
Die Resolution des EP zur COP25 finden Sie hier, die Resolution zum Klima- und Umweltnotstand hier.
Green New Deal – Prioritäre Vorhaben der Kommission
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits angekündigt, dass Frans Timmermans als Exekutiver Vizepräsident den europäischen Green Deal federführend umsetzen soll. Ziel ist es, Europa hiermit bis zum Jahr 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Dies soll in einem europäischen Klimaschutzgesetz verankert werden. Begleitend dazu werden insbesondere Vorschläge für einen neuen Plan zur Kreislaufwirtschaft, der auch den Bausektor einbeziehen soll, sowie eine Biodiversitätsstrategie für 2030 erwartet. Ferner soll bestehende Klima- und Energiegesetzgebung überprüft und gegebenenfalls neue Rechtsakte eingeführt werden. Hierbei stehen auch die Themen Energieeffizienz von Gebäuden sowie bezahlbare Energieversorgung im Fokus. Die Kommission wird im Dezember eine Mitteilung zum Green Deal vorlegen.
Digitalisierung
Sitzung der EU-BIMBIM Building Information Modeling Task Group
Am 2.10.19 tagte die EU-BIM Task Group in Brüssel, um Erfahrungen über die neuesten Initiativen des öffentlichen Sektors der Mitgliedstaaten zur Digitalisierung der Bauwirtschaft auszutauschen. Ziel ist, die gemeinsame Nutzung von BIM als „digitales Bauen“ durch die öffentliche Hand mit zu fördern, um die Qualität des öffentlichen Besitzes und die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu verbessern. Deutschland ist über das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur sowie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in der Task Group vertreten.
Es wurde über den durch die EU-BIM Task Group entwickelten strategischen und operativen Fahrplan zur Einführung von BIM diskutiert. Dieser befasst sich mit den Vorteilen von BIM, zuverlässige Informationen und Richtlinien, Standardisierung, Wissenstransfer und Unterstützung der Initiativen der Mitgliedstaaten.
In der BAK werden die Ergebnisse der Task Group in der Steuerungsgruppe Digitalisierung und den relevanten Ad-hoc-Arbeitsgruppen „BIM-Standard deutscher Architekten- und Ingenieurkammern“ sowie „BIM-Büroimplementierung“ diskutiert.
Verbände
ACEACE Architects’ Council of Europe Conseil des Architectes d’Europe-Generalversammlung in Barcelona
Am 22.11.2019 fand die Herbstgeneralversammlung des Architects‘ Council of Europe (ACE) in Barcelona statt. Auf der Tagesordnung stand die Wahl des Präsidenten sowie von fünf Vorstandsmitgliedern. Ruth Schagemann, Architektenkammer Baden-Württemberg, wurde als Vorstandsmitglied für ein Mandat von zwei Jahren ab Januar 2020 mit höchster Stimmenzahl, 333 von 373 Stimmen aus 25 Ländern, wiedergewählt. ACE-Präsident Georg Pendl wurde ebenfalls für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt. Ferner verabschiedete die ACE-Generalversammlung einstimmig eine Resolution zum Urteil des EuGHEuGH Europäischer Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren zur HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 4.7.2019, die von der deutschen Delegation unter Leitung von BAK-Vizepräsident Prof. Ralf Niebergall eingebracht und insbesondere von Spanien unterstützt worden war. Darin begrüßen die ACE-Mitglieder unter anderem, dass der EuGH den Erhalt der Baukultur und ökologisches Bauen als übergeordnete öffentliche Interessen anerkennt sowie darauf hinweist, dass das Fehlen von Mindestsätzen in bestimmten Marktsituationen zu einem Preiswettbewerb zu Lasten der Qualität von Leistungen führen könne.
Die ACE-Resolution zur HOAI finden Sie hier.
Young Architects´ Forum des ACE
Am Tag nach der Generalversammlung am 22.11.2019 richtete der ACE in Barcelona eine Konferenz mit dem Titel „Perspectives: Young Architects´ Forum“ aus. Junge Architekten aus verschiedenen Mitgliedstaaten sprachen über ihre Erfahrungen, ihre Sicht auf den Beruf und seine Zukunft sowie ihre Erwartungen an politische Entscheidungsträger, insbesondere auf EU-Ebene. Die gemeinsamen Anliegen wurden in einer Erklärung verabschiedet. Für junge Architekten sind vor allem die gesellschaftliche Anerkennung des Berufs, Nachhaltigkeit als Bestandteil des Bauens, Partizipation und Beteiligung, der Zugang zu Märkten und Vergabeverfahren sowie die unterschiedlichen für den Beruf relevanten Regulierungen in den Mitgliedstaaten und daraus resultierende Hürden zentrale Themen. Die BAK hatte eine junge Architektin aus Stuttgart eingeladen, an der Konferenz teilzunehmen, die noch über ihre Eindrücke berichten wird.
Die Erklärung und weitere Informationen zur Konferenz finden Sie hier.
Abendessen des BFBBFB Bundesverband der Freien Berufe e.V.-Präsidiums in Brüssel
Am 19.11.2019 fand der traditionelle parlamentarische Abend des Bundesverbands der freien Berufe in Brüssel statt. Er brachte das Präsidium des BFB mit Vertretern aus Europäischem Parlament, Kommission und der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU zusammen. Für die BAK nahm die Leiterin des Büros der BAK in Brüssel Brigitta Bartsch teil. BFB-Präsident Wolfgang Ewer begrüßte die Anwesenden und betonte, die freien Berufe hätten in Brüssel ein Vermittlungsproblem. Ihnen werde vorgeworfen, sie seien wettbewerbsfeindlich. Dies sei aber nicht der Fall. Sie stünden für Qualität, Verbraucherschutz und Selbstverwaltung. Er nannte ausdrücklich das EuGH-Urteil zur HOAI, das den Zusammenhang von Preisen und Qualität sowie eine kohärente Reglung von Vorbehaltsaufgaben anerkannt habe. Norbert Schultes, Leiter der Wirtschaftsabteilung in der Ständigen Vertretung, gab einen Ausblick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 mit den vorgesehenen Themen Wettbewerb und Wachstum, Solidarität, Digitalisierung, KMU und Binnenmarkt. Diese Themen müssten noch mit den Prioritäten der neuen Kommission abgestimmt werden. Er nannte ausdrücklich die Veranstaltung zu den freien Berufen, die die BAK mitinitiiert hat. Sie soll am 27.10.2020 in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel stattfinden.
Gleichstellung
EU-Projekt „Yes We Plan“ zur Chancengleichheit
Das europäische Projekt „Yes, we plan!“, das durch das EU-Programm Erasmus+ gefördert wird, verfolgt das Ziel, Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele auszutauschen, um das Bewusstsein für die Ungleichheit der Geschlechter im Bereich Architektur und Bauwesen zu schärfen und Lösungen aufzuzeigen, diese Situation zu verändern. Die im Rahmen des Projekts entwickelten Instrumente und die Beteiligung von politischen Entscheidungsträgern sollen dazu beitragen, Denkweisen und Politik in eine Richtung zu lenken, um langfristig die Gleichstellung der Geschlechter im Bereich Architektur zu erreichen.
Die Schirmherrschaft des Projektes übernimmt die österreichische Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen. Die BAK ist Projektpartner zusammen mit Berufsstandsorganisationen aus Bulgarien, Frankreich, Slowenien und Spanien. Die erste Projektsitzung fand im November 2019 in Ljubljana statt. Das Projekt läuft bis zum 31.10.2021 und wird in der BAK durch die Projektgruppe zum Thema Chancengleichheit begleitet.