BAK-Europaseminar am 13.9.2017

Quo vadis EU – Vertiefung des Binnenmarkts durch das EU-Dienstleistungspaket?

Beim Europaseminar der Bundesarchitektenkammer (BAKBAK Bundesarchitektenkammer) am 13.9.2017 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin ging es um das von der Kommission im Januar vorgelegte Dienstleistungspaket mit seinen verschiedenen Gesetzesvorschlägen, die zurzeit im Rat und im Europäischen Parlament in Brüssel beraten werden. Gleichzeitig war es Ziel der Veranstaltung, die Rolle der berufspolitischen Interessenvertretung zu diskutieren. BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann begrüßte die rund fünfzig Teilnehmer, darunter BAK-Gremienvertreter, Vorstandsmitglieder, Vertreter von Mitgliedsorganisationen des europäischen Verbands Architects´ Council of Europe sowie anderer berufspolitischer Verbände und des Bundesverbands der Freien Berufe.

Prof. Niebergall, BAK-Vizepräsident für Europa und Internationales, führte in das Thema ein und hob hervor, dass der Berufsstand die Initiativen des Dienstleistungspakets wegen der Eingriffe in nationale Gesetzgebungskompetenzen und das Kammerwesen sehr kritisch sieht. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der am Vormittag in Straßburg seine Rede zur Lage der Union gehalten hatte, habe ausdrücklich das Europa der Wertegemeinschaft betont. In diesem Sinne sei ein Europa des „klein-klein“ nicht hilfreich. Im ersten Seminarteil wurde der aktuelle Sachstand der Verhandlungen im Rat und im Europäischen Parlament dargelegt. Patrick Lobis, Referent in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, zitierte den früheren Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Delors: „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt.“ Das Thema sei oftmals sehr technisch, doch der Kommission liege viel daran, sich mit allen Betroffenen auszutauschen und alle einzubinden Sie müsse gleichzeitig das „Wohl der ganzen EUEU Europäische Union im Auge behalten“. Dabei stelle sich stets die Frage, wie ein guter Kompromiss gefunden werden könne. Die Vertreterin des für die Verhandlungen federführenden Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Frau Dr. Pukall, unterstrich die bisher erzielten guten Ergebnisse in den Beratungen, in die die deutschen Anliegen, somit auch diejenigen der Architekten, erfolgreich eingebracht werden konnten. Das Ministerium habe mehrere Anhörungen mit den beteiligten Verbänden durchgeführt, um deren Gesichtspunkte und  Interessen zu kennen. In der Ratsposition konnten zwei der Vorschläge in ihren Auswirkungen deutlich abgeschwächt werden. Bei dem Vorschlag zur Einführung einer Dienstleistungskarte bestehe jedoch noch großer Beratungsbedarf. Die vielen Fragen auf 48 Seiten an die Kommission dazu seien noch nicht befriedigend beantwortet worden. Für die BAK legte Brigitta Bartsch, Leiterin des BAK-Büros Brüssel, die Position des Berufsstandes zu den Kommissionsinitiativen im Dienstleistungsbereich dar, der sich gegen die einseitige wirtschaftliche Betrachtungsweise und die Deregulierungsziele der Kommission wendet und die Aspekte von Qualität und Verbraucherschutz beachtet wissen möchte.. Amélie Schönbaumsfeld, Botschaftsrätin in der Österreichischen Botschaft in Berlin, erläuterte sodann in ihrem Vortrag die Arbeit des Rates bei den Beratungen zu europäischen Gesetzesvorhaben. Sie unterstrich die Rolle der Diplomatie, der bei Entscheidungen zu Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene sehr wichtig sei.

Im zweiten Teil der Veranstaltung moderierte Dr. Tillman Prinz, Bundesgeschäftsführer der BAK, eine Podiumsdiskussion, in der Prof. Niebergall, Tiia Raudma, Estnisches Ministerium für Bildung und Forschung, Cornelia Hammerschlag, österreichische Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, sowie Ian Pritchard, Generalsekretär Architects´ Council of Europe, aus verschiedenen Perspektiven lebhaft über die Rolle der berufspolitischen Interessenvertretung debattierten. Frau Raudma vertrat den Standpunkt, Architekten seien durch die europäische Gesetzgebung bereits in einer „privilegierten Position“. So widme die Berufsanerkennungsrichtlinie den Architekten als einem von sieben Berufsständen einen eigenen Abschnitt. Die automatische Anerkennung  für den Berufsstand zeige, dass er in den Mitgliedstaaten „einen Fuß in der Tür habe“.

Prof. Niebergall führte aus, der Berufsstand habe häufig den Eindruck, die Kommission gehe zu theoretisch vor. Bei Gesetzesvorschlägen dürfe nicht der „Kontakt zur Realität“ verloren gehen. Insofern komme dem Berufsstand eine wichtige beratende Funktion zu. Ian Pritchard wies auf die Schwierigkeit hin, dass die nationalen Systeme für Architekten unterschiedlich seien, die Kommission aber einen Indikator anwende, der die unterschiedlichen Gegebenheiten nicht ausreichend einbeziehe und daher zu falschen Ergebnissen führe.

Ruth Schagemann, Architektenkammer Baden-Württemberg, Vorstandsmitglied Architects´ Council of Europe, fasste die Ergebnisse der Veranstaltung zusammen. Die Diskussion habe gezeigt, wie wichtig es sei, den Dialog zu führen. Viele Gespräche und ein intensiver Austausch seien dafür nötig. Schließlich verliebt sich niemand in einen Binnenmarkt!


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