Die Europäische Kommission hat am 22.6.2022 einen Vorschlag für eine Renaturierungsverordnung vorgelegt. Bekannt ist die Verordnung auch unter dem Namen „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ oder „Nature Restoration Law“. Die Wiederherstellung von Ökosystemen und die Förderung der biologischen Vielfalt sind zentrale Ziele des europäischen Grünen Deals. Gesunde Ökosysteme sind entscheidend für die Bekämpfung des Klimawandels. Die Erderwärmung hat irreversible Auswirkungen auf die Ökosysteme und führt zu deren Verlust. In der EUEU Europäische Union-Klimapolitik, wie im Europäischen Klimagesetz und im „Fit für 55“-Paket, wird die Bedeutung natürlicher CO2-Senken betont. Feuchtgebiete und Wälder müssen in gutem Zustand sein, um CO2 effektiv abbauen und speichern zu können. Diese Verordnung trägt daher erheblich zur Klimapolitik bei.
Aktueller Verfahrensstand
Am 27. Februar wurde im Europäischen Parlament der im Trilog erzielte Kompromiss zur Verordnung zur Wiederherstellung der Natur zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament formell angenommen. Das Gesetzesverfahren verlief sehr ungewöhnlich. Der Entwurf hatte in den Fachausschüssen keine Mehrheit gefunden, wurde dann jedoch vom Plenum verabschiedet und im Rahmen der Trilogverhandlungen stark verändert. Unter anderem müssen Deutschland wie auch die anderen Mitgliedstaaten sog. nationale Renaturierungspläne (Artikel 11) erstellen, die genauer darlegen, wie Maßnahmen umgesetzt werden und zu renaturierende Flächen quantifizieren.
Die Verordnung drohte jedoch zu kippen, da es nach den Verhandlungen zu Umstimmung der verschiedenen Minister der EU-Mitgliedstaaten kam. Belgien, Finnland, Österreich sowie Italien, Schweden, die Niederlande und auch Polen enthielten sich oder stimmten vorerst gegen die Verordnung. Eine erfolgreiche Abstimmung vor der Europawahl war nicht mehr zu erwarten.
BAK-Präsidentin Andrea Gebhard richtete einen Appell an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. In ihrem Brief bat sie darum, sich für die Verabschiedung der Verordnung einzusetzen und die Blockadehaltung der EU-Mitgliedstaaten zu überwinden. Letztlich wurde die Renaturierungsverordnung am 17.6.2024 von den EU-Umweltministern verabschiedet. Sie ist im August 2024 in Kraft getreten.
Wichtigste Regelungen für den Berufsstand
Insbesondere die Regelung zu städtischen Grünflachen wird hervorheben (Artikel 6):
Kein Nettoverlust an städtischen Grünflächen bis 2030, eine Zunahme um 5 Prozent bis 2050, ein Mindestanteil von 10 Prozent an Baumkronen in jeder europäischen Stadt und jedem Vorort sowie ein Nettogewinn an Grünflächen, die in Gebäude und Infrastruktur integriert sind.
Die Potenziale einer grünen Stadt sind seit Jahren bekannt und bereits im Grünbuch und Weißbuch für Grün in der Stadt manifestiert worden, die unter der fachlichen Leitung des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erstellt wurden. Grüne Freiräume sind als grüne Infrastruktur auch Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete, sie dämpfen Lärm, unterstützen die Luftreinhaltung und die Temperaturregulierung. Somit sind sie wichtig für den Klima- und Gesundheitsschutz und die Regulierung des Wasserhaushalts.
Die Verordnung verfolgt das Ziel, bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederherzustellen (Artikel 1). Es beinhaltet Maßnahmen wie die Aufforstung sowie die Wiederherstellung von Mooren und Flüssen. Ab 2031 müssen die betroffenen Lebensräume alle sechs Jahre überprüft und Informationen darüber an die Kommission übermittelt werden. Die betroffenen Gebiete werden in nationalen Sanierungsplänen (Artikel 14 ff.) festgelegt. Wenig überraschend sind nun weitreichende Ausnahmen für Landwirte und private Landbesitzerinnen vorgesehen. EU-Länder sollen bis 2030 die städtischen Grünflächen und Baumkronen im Vergleich zum Jahr des Inkrafttretens der Verordnung erhalten. Ab 2031 soll dann eine Erhöhung dieser Flächen erreicht werden.
Bewertung
Die Bundesregierung hat zwar bereits erste Maßnahmen zur Renaturierung ergriffen, z.B. mit dem vom BMUV initiierten Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK). Die EU-Verordnung beinhaltet jedoch weitere, darüberhinausgehende Regelungen zur Renaturierung von Flächen, insbesondere auch zum städtischen Grün (Artikel 8). Städtische Grünflächen und Ökosysteme sind von unbestrittener Relevanz, da sie für Frischluftschneisen, Lärmdämpfung, Luftreinigung, Temperaturregulierung und die Regulierung des Wasserhaushalts in der Stadt sorgen können. Ihre Regulierung wird von der BAK als wichtiges Instrument zur Förderung der Klimaresilienz angesehen. Obwohl der finale Gesetzestext nicht so ambitioniert ist wie die ursprüngliche Version der Europäischen Kommission, ist die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur ein neuer wegweisender Gesetzesvorschlag, da bisher im Falle einer drohenden oder eintretenden Beeinträchtigung von Natur und Landschaft die Unterlassung bzw. die Kompensation im Fokus stand. Mit der Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung wird nun auch die Wiederherstellung von Verlorenem in den Instrumentenkasten aufgenommen.