Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Brigitta Bartsch und Beate Aikens
EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
Inhaltsverzeichnis
Institutionelles
Kroatische EU-Ratspräsidentschaft
Kroatien hat am 1.1.2020 erstmals seit seinem EU-Beitritt 2013 die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Die Prioritäten der kroatischen Ratspräsidentschaft stehen unter dem Motto „Ein starkes Europa in einer Welt voller Herausforderungen“ und konzentrieren sich auf vier Hauptbereiche: ein Europa, das sich entwickelt, ein Europa, das verbindet, ein Europa, das schützt und ein Europa, das einflussreich ist. Kroatien kündigte an, die Diskussionen über ethische, rechtliche und soziale Aspekte Künstlicher Intelligenz anzustoßen, das Thema werde auf einer Digitalkonferenz in Zagreb behandelt. Diese soll am 28./29.05.2020 stattfinden.
Neben diesen, selbstgesteckten Zielen werden aus den vorhergehenden beiden Präsidentschaften Rumäniens und Finnlands folgende zentrale Themen dominieren: Die Verhandlungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2021 – 2027, der Brexit und die Regelung der zukünftigen Beziehungen der EU mit dem Vereinigten Königreich sowie die EU-Erweiterungspolitik.
Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2020
Die Europäische Kommission hat am 29.1.2020 ihr Arbeitsprogramm für 2020 vorgelegt. Aus Sicht des Berufsstandes sind insbesondere ein Gesetzesvorschlag zur Verankerung des Ziels der Klimaneutralität bis 2050, die “Renovierungswelle” für Gebäude, ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, eine Strategie für das digitale Zeitalter und ein Weißbuch zu Künstlicher Intelligenz hervorzuheben. Ferner werden ein Bericht zu Hindernissen im Binnenmarkt, ein Aktionsplan zur Durchsetzung der Binnenmarktgesetzgebung sowie eine neue KMU-Strategie angekündigt. Darüber hinaus wird die Kommission die Evaluierung der KMU-Definition fortsetzen, die die BAKBAK Bundesarchitektenkammer unter dem Gesichtspunkt der Kleinstunternehmen verfolgt. Bei den laufenden Legislativverfahren möchte die Kommission unter anderem prioritär die Einrichtung des Programms Kreatives Europa sowie die Einführung einer elektronischen Dienstleistungskarte im Rahmen des Dienstleistungspakets von 2017 voranbringen.
Das Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 finden Sie hier.
Binnenmarkt und Recht
Gesellschaftsrechtspaket – Veröffentlichung der Richtlinie zu Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen im EU-Amtsblatt
Die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen ist am 12.12.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden und Anfang Januar 2020 in Kraft getreten. Sie legt einen Rechtsrahmen für EU-weit einheitliche Verfahren für die grenzüberschreitende Mobilität und Niederlassungsfreiheit von Unternehmen fest. Die BAK hat das Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Anwendung nationalen Berufsrechts auf sitzverlegende Gesellschaften begleitet. Die Richtlinie enthält hierzu wichtige Klarstellungen, wonach die nationalen Behörden Befugnisse erhalten, um grenzüberschreitende Vorhaben zu missbräuchlichen Zwecken zu verhindern. Ferner ist eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sitzverlegung durch den Zuzugsmitgliedstaat vorgesehen. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 31.1.2023 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Die Richtlinie finden Sie hier.
EP-Initiativberichte zum Binnenmarkt
Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäischen Parlament wird in den kommenden Monaten zwei Initiativberichte zum Binnenmarkt ausarbeiten. Gegenstand dieser Berichte ist einerseits die Zukunft der Dienstleistungsfreiheit sowie andererseits die Nachhaltigkeit im Binnenmarkt. Es wird angestrebt, den ersten Bericht mit dem Titel “Strengthening the Single Market: the future of free movement of services” bei der Plenarsitzung im Juli zur Abstimmung vorzulegen. Die Arbeiten zum zweiten Bericht unter dem Titel “Towards a more sustainable single market for businesses and consumers” sollen Mitte März mit einer öffentlichen Anhörung im Parlament aufgenommen werden. Die BAK wird beide Berichte unter dem Aspekt der Berufsregulierung und Berufspraxis für Architekten aller Fachrichtungen begleiten und Gespräche mit den Bericht- und Schattenberichterstattern führen.
New Deal for Consumers – Veröffentlichung der Omnibus-Richtlinie im EU-Amtsblatt
Die sogenannte Omnibus-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften ist am 18.12.2019 im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und Anfang Januar 2020 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschriften nun bis zum 28.11.2021 auf nationaler Ebene umsetzen. Die BAK hat die Beratungen zu der Richtlinie intensiv begleitet und einen Änderungsvorschlag eingebracht, um das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zugunsten von Architekten einzuschränken. Hierfür konnte jedoch keine Mehrheit erreicht werden. Die Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften finden Sie hier.
Einleitung des Europäischen Semesters 2020
Die Europäische Kommission hat am 17.12.2019 das Europäische Semester für das Jahr 2020 eingeleitet und wie im Green Deal angekündigt neue Schwerpunkte mit Bezug auf die UN-Nachhaltigkeitsziele festgelegt. Anstelle des üblichen Jahreswachstumsberichtes legte sie eine Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum vor. Ferner präsentierte sie im Zuge dessen erstmals einen Bericht über die Leistungsfähigkeit des Binnenmarktes. Ziel sei es, zu bewerten, wie die Realwirtschaft mit Blick auf die Märkte abschneide. Während sich die Überwachung “in der Vergangenheit hauptsächlich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen des Binnenmarktes” konzentriert habe, um dessen ordnungsgemäße Durchsetzung sicherzustellen, gehe es in dem Bericht “in erster Linie um die Ergebnisse und Errungenschaften des Binnenmarktes”. Für Dienstleistungen sei nach wie vor ein geringes Produktivitätswachstum festzustellen. In stark regulierten Bereichen wie Architektur bewege sich die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung auf einem niedrigen Level. Die Kommission appelliere daher an die Mitgliedstaaten, die Verhältnismäßigkeit ihrer Regulierungen sicherzustellen.
Die Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum finden Sie hier. Den Bericht über die Binnenmarktleistung finden Sie hier.
Energie und Nachhaltigkeit
Entschliessung des EP zum Green Deal
Das Europäische Parlament hat am 15.1.2020 eine Entschließung zum Green Deal angenommen und darin eine erste allgemeine Reaktion auf die von der Kommission angekündigten Vorhaben hierzu formuliert. Es fordert, dass “die Energieeffizienzrichtlinie (EED) und die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden (EEBD) im Einklang mit den verstärkten Klimazielen der EU überarbeitet werden und ihre Umsetzung mittels verbindlicher nationaler Ziele verstärkt wird”. Ferner begrüßt es die im Green Deal angekündigte Renovierungswelle in Bezug auf öffentliche und private Gebäude und regt an, den Schwerpunkt auf die Renovierung von Schulen und Krankenhäusern sowie von Sozialwohnungen und Mietwohnungen zu legen. Das Parlament betont ferner, dass “der Gebäudebestand so saniert werden muss, dass Niedrigstenergiegebäude entstehen, um bis spätestens 2050 Klimaneutralität zu erreichen”. Weiterhin fordert es den verstärkten Einsatz ökologischer Baustoffe.
Die Entschließung finden Sie hier.
Ratsschlussfolgerungen zur Kreislaufwirtschaft im Bausektor
Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit hat Ende letzten Jahres Schlussfolgerungen zur Kreislaufwirtschaft im Bausektor angenommen. Darin fordert er die Kommission auf, bei der Überarbeitung der Bauproduktenverordnung (BauPVO) auf eine bessere Wiederverwertbarkeit von Bauprodukten hinzuwirken und eine Strategie für die Wiederverwendung und das Recycling von Bauprodukten und -materialien zu entwickeln. Zudem sei auch die Kohärenz zwischen der BauPVO und anderen EU-Rechtsakten wie etwa der Abfallrahmenrichtlinie und der Ökodesign-Richtlinie zu überprüfen. Ferner sollen u.a. Kriterien für eine umweltgerechte öffentliche Auftragsvergabe für Bauwerke sowie Leitlinien für Abfallaudits vor Abbruch- und Renovierungsarbeiten von Gebäuden entwickelt werden.
Die BAK wird die anstehende Überarbeitung der BauPVO begleiten und zu gegebener Zeit Stellungnahmen erarbeiten.
Die Ratsschlussfolgerungen finden Sie hier.
Architektur, Stadtentwicklung und Baukultur
EU-Städteagenda: Orientierungspapier der Partnerschaft Kultur und Kulturerbe
Die Partnerschaft zum Thema Kultur und Kulturerbe im Rahmen der EU-Städteagenda unter Federführung von Deutschland/BMIBMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und Italien hat im Dezember 2019 ein Orientierungspapier vorgelegt. Dieses beschreibt die Ziele, Themen, Arbeitsweise und Arbeitsprogramm der Partnerschaft. Im nächsten Schritt wird ein Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen erarbeitet, dessen Entwurf im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 präsentiert werden soll. Inhaltlich unterstützt wird die Arbeit durch thematische Arbeitsgruppen sowie Experten-Inputs.
Die BAK nimmt auf Einladung durch das BMI an einem nationalen Begleitkreis der Partnerschaft teil, der erstmals am 17.2.2020 in Berlin tagt.
Das Orientierungspapier finden Sie hier.
EU-Städteagenda: Studie zur bisherigen Umsetzung
Die Europäische Kommission, Generaldirektion für Stadt- und Regionalentwicklung, hat im Dezember 2019 eine Studie zur Bewertung der bisherigen Umsetzung der EU-Städteagenda vorgelegt. In der Studie wird untersucht, inwieweit die Ziele der EU-Städteagenda/Pakt von Amsterdam bisher erreicht wurden, und führt Stärken, Chancen, Herausforderungen und Mängel, die bei der bisherigen Umsetzung über die thematischen Partnerschaften aufgetreten sind, auf. Insgesamt werden die bisherigen Ergebnisse der EU-Städteagenda positiv bewertet. Vor allem die Mehrebenenzusammenarbeit und die Einbindung von Stakeholdern habe neue Formen des Austauschs geschaffen. Bemängelt wird, dass die die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen aus den Partnerschaften zum Teil unsicher sei.
Die Studie finden Sie hier.
Gleichstellung
Geschlechtsspezifisches Lohngefälle – Gleichstellungsstrategie
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich in ihren politischen Leitlinien für 2019-2024 verpflichtet, verbindliche Maßnahmen zur Transparenz des Arbeitsentgelts einzuführen und das geschlechtsspezifische Lohngefälle im Rahmen der geplanten Gleichstellungsstrategie abzubauen. In den ersten 100 Tagen der Amtszeit der neuen Kommission sollen Vorbereitungen zur Einführung rechtsverbindlicher Maßnahmen zur Transparenz des Arbeitsentgelts getroffen werden, so kündigte die neue Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, an. Die Kommission hat zur Gleichstellungsstrategie und zur geplanten Richtlinie “Geschlechtsspezifisches Lohngefälle – Transparenz beim Entgelt für Männer und Frauen” Fahrpläne veröffentlicht und ruft die Öffentlichkeit dazu auf, sich an den Umfragen zu beteiligen.
Zum Fragebogen zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle gelangen Sie hier und zum Fragebogen zur Gleichstellungsstrategie hier.