Was macht eigentlich das Referat Digitalisierung? Vor welchen berufspolitischen Herausforderungen steht die BAKBAK Bundesarchitektenkammer derzeit? Und wie sieht unser Netzwerk aus? In unserem Format „Insights“ geben wir Einblicke in unsere aktuellen Aufgaben und zeigen, wer die Akteure hinter den Kulissen der BAK sind, welche Institutionen, Forschungsprojekte und Startups an welchen Innovationen arbeiten sowie alles, was uns derzeit noch im Bereich Digitalisierung beschäftigt. Dafür laden wir einmal im Monat eine Person aus unserem Netzwerk aus Expertinnen und Experten ein, die uns ihre Antworten auf unsere Fragen gibt.
Dr. Carmen Palzer ist Rechtsanwältin und seit 2020 Geschäftsführerin sowie Justitiarin der Architektenkammer des Saarlandes. Auf Bundesebene ist sie Mitglied der Steuerungsgruppe Digitalisierung der BAK sowie der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Digitaler Bauantrag. Seitens Architektenkammer ist sie an der Umsetzung der digitalen Baugenehmigung im Saarland beteiligt.
- Wo steht das Saarland bei der Digitalisierung des Baugenehmigungsprozesses derzeit – auch im bundesweiten Vergleich?
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Im Saarland gibt es seit einer Weile eine fachsoftwarebezogene Lösung. Bei dieser muss man den digitalen Bauantrag auf der Website der jeweiligen Unteren Bauaufsichtsbehörde (UBA) stellen. Die Möglichkeit, diese Lösung zu nutzen, haben allerdings nur die vier Behörden, die die entsprechende Software verwenden.
Wir als Architektenkammer bevorzugen die als EfA-Lösung (Einer-für-alle-Lösung) in Mecklenburg-Vorpommern programmierte Plattformlösung, die es ermöglicht, über eine einheitliche Plattform Bauanträge bei allen teilnehmenden UBAen zu stellen.
Seit dem Sommer ist diese Plattformlösung als Produktivsystem in einer saarländischen Baubehörde im Silent-Go-Live-Betrieb, der demnächst abgeschlossen sein wird. Es ist geplant, zeitnah den Rollout für 8 von 12 UBAen zu starten. Damit stehen wir im Bundesvergleich gut da.
- Wie genau konnte die Architektenkammer des Saarlandes die öffentliche Hand bei der Umstellung auf den digitalen Bauantrag unterstützen?
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Im September 2023 stand das Projekt „Digitaler Bauantrag als Plattformlösung“ auf der Kippe. Wir haben angeboten, in unserem Akademie-Raum – sozusagen auf „neutralem Boden“ – ein Treffen aller Stakeholder zu organisieren, um das Projekt voranzubringen. Teilnehmer waren das für Digitalisierung zuständige Wirtschaftsministerium, das sachlich zuständige Bauministerium und die Träger aller 12 UBAen (Landräte und Bürgermeister:innen der kreisfreien Städte). Es wurde kontrovers diskutiert, es wurden Missverständnisse ausgeräumt und im Ergebnis wurde der Beschluss gefasst, die Plattformlösung gemeinsam zu unterstützen.
In der Folge haben wir als Vertreter der Architektenschaft in gemeinsamen Sitzungen mit Vertretern und Vertreterinnen des Wirtschaftsministeriums und des Bauministeriums jede der 19 Antragsstrecken, für die das Saarland eine Nachnutzung angemeldet hatte, auf saarländische Verhältnisse angepasst. Das war recht zeitaufwändig, da die Sitzungen im 2-Wochenrhythmus stattfanden. Es hat sich gelohnt: Das Projekt steht vor dem Roll-Out!
- Welche Erfahrungen haben die Mitglieder Ihrer Kammer mit dem digitalen Bauantrag bisher gemacht? Wo besteht noch Handlungsbedarf?
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Die Rückmeldungen sind bislang durchweg positiv. Im Regionalverband Saarbrücken, eine der Baubehörden, die die fachsoftwarebezogene Lösung anbieten, gehen nach Auskunft der dortigen Leiterin der Bauaufsicht bereits 40 % der Anträge elektronisch ein. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die nutzerfreundliche Plattformlösung sich noch schneller durchsetzen wird. Natürlich werden sich in der täglichen Anwendung immer wieder Punkte herauskristallisieren, die man verbessern kann. Das ist ein normaler Prozess, der jeder Digitalisierung immanent ist. Unserer Ansicht nach sollte man nicht warten, bis die Lösung 100 % perfekt ist, sondern: einfach mal machen!
Prof. Yvonne Brandenburger ist Professorin für Gebäudeentwurf und Bauplanung sowie Vizepräsidentin für Forschung und Transfer an der Fachhochschule Erfurt. Sie vertritt die Architektenkammer Thüringen in der Steuerungsgruppe Digitalisierung der BAK und hat als Autorin am BAK-Leitfanden „BIM für Architekten – Digitale Planung in der Hochschulausbildung“ mitgewirkt.
- BAK: Über Ihre Tätigkeit an der Hochschule kennen Sie die Forschungslandschaft gut: Was passiert gerade an Cutting-Edge-Forschung zur Digitalisierung in der Planung und bei welchen Themen sehen Sie noch grundsätzlichen Forschungsbedarf?
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YB: Bekannt, aber noch nicht vollständig beleuchtet, ist die Verknüpfung von BIM-generierten Modellen mit Nachhaltigkeitsthemen. Wünschenswert wäre z.B. die Ökobilanz auf Knopfdruck, hier muss aktuell noch viel händisch nachgearbeitet werden. Daneben nehme ich zwei Tendenzen wahr. Zum einen den Einsatz digitaler Instrumente als Erweiterung bestehender Verfahren z.B. in Partizipationsprozessen, die die Erreichbarkeit der Bürger:innen in Beteiligungsverfahren der Kommunen verbessern. Zum anderen gibt es Tendenzen, KI-Trainingsmethoden zu entwickeln, die Planung insbesondere im Hochbau generieren soll: Ausführungsplanung per Prompt. Mein persönliches Thema ist die Frage, wie sich das Story-Telling im Kontext der Darstellung verändern wird und was es braucht, um Information von Manipulation abzugrenzen.
- BAK: An der FH Erfurt unterrichten Sie interdisziplinäre BIM-Projekte und auch in Ihrem Engagement bei der AK Thüringen und der BAK setzen Sie sich für die praxisnahe BIM-Einführung in Deutschland ein. Wie kann man BIM noch besser in die Breite bringen?
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YB: Machen! Die interdisziplinären und insbesondere die hochschulübergreifenden Lehrprojekte sind, strukturell bedingt, sehr aufwendig, aber ein guter Multiplikator für den Transfer in die Praxis. Ähnlich verhält es sich mit der Einführung digitaler Arbeitsmethoden in den Büros, die völlig nachvollziehbar an den Nutzen geknüpft sind. So lange es ohne geht, und das geht es überwiegend, gibt es keinen Grund etwas nur zu tun, weil man es kann. Das Experimentieren in Anwendungsfällen und diese dann auszuweiten, halte ich für sinnvoll, um weder Überforderung bei den Beteiligten zu erzeugen noch übergriffig Arbeitsmethoden zu bestimmen, deren Nutzen z.T. auch für die Auftraggeber:innen nicht klar sind. Die Nachfrage nach Basiswissen aus der Praxis ist stark gesunken, was bedeuten könnte, dass die Breite in der Anwendung in weiter Ferne ist. Aber auch die BAK-Umfragen zeigen ja, so ein bisschen können es doch eigentlich schon alle.
- BAK: Welches Studien- bzw. Abschlussprojekt, das Sie in den letzten Jahren betreut haben, fanden Sie mit Blick auf die digitale Transformation besonders spannend und innovativ?
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YB: Ganz klar der VDI-Wettbewerb Baden 4.0 von 2020, bei dem Studierende der Architektur, des Bauingenieurwesen und der Gebäudeenergetik an der FH Erfurt in einem gemeinsamen BIM-Projekt ein preisgekröntes „Schwimmbad für alle“ entwarfen. Neben den BIM-Skills bedarf es für die interdisziplinäre und damit praxisorientierte Projektarbeit ein Miteinander, Offenheit, Abstimmung und die Bereitschaft das Ziel als gemeinsames zu erkennen – und nicht die durch die Corona-Pandemie verstärkte Abgrenzung von Arbeitsaufgaben. Kollaboratives Arbeiten und Integrale Planung haben mit der Ausrichtung auf digitale Transformation einen Grundstein für spannende Projekte, aktuelle Themen und hohen Praxisbezug gelegt.
Stephan Weber ist freier Architekt mit Büro in Heidelberg. Er ist Vorstandsmitglied der Architektenkammer Baden-Württemberg, Mitglied im Beirat des Baukosteninformationszentrums (BKI) sowie Mitglied im Beirat von BIM Deutschland. Bei der Bundesarchitektenkammer engagiert er sich in der Steuerungsgruppe Digitalisierung und als Sprecher der Arbeitsgruppe „BIM in 4D/5D“.
- BAK: Im Zeitalter von BIM und KI spielen Daten eine immer wichtigere Rolle in der Planung. Welche Aufgabe sehen Sie auf die Kammern zukommen?
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SW: Das zentrale Thema ist die Sicherheit der Daten. Hierbei spielt die Frage, wie mit dem Urheberrecht umgegangen wird, eine entscheidende Rolle. Uns Architekt*innen fehlt häufig das Bewusstsein für den Wert der BIM-Modelle und den erforderlichen Schutz der von uns erarbeiteten Datensätze. Die Nutzung von KI wird die Frage nach dem Urheber der Daten (und des kreativen Prozesses) noch erweitern und verkomplizieren. Die Kammern müssen Aufklärungsarbeit leisten; zu überlegen sind sogar Angebote von eigenen, kammerbetriebenen Datenservern als „geschützter Raum“.
- BAK: Auch in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit benötigen Planende verlässliche Daten-grundlagen und Rechenregeln. Wie kann das BKI Architektinnen und Architekten hierbei unterstützen?
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SW: Das BKI arbeitet an Lösungen, die es ermöglichen, IFC-Modelldaten so aufzubereiten, dass schnell und zuverlässig Kosten- und Nachhaltigkeitsberechnungen generiert werden können. In den verschiedenen Leistungsphasen muss dies mit unterschiedlicher Genauigkeit erfolgen. Dabei könnte bei der CO2-Bilanz eine Anlehnung an die DIN 276 sinnvoll sein, mit CO2-Rahmen, -schätzung, -berechnung etc. Die Expertise des BKI bei der Erhebung und Aufarbeitung von Kostendaten kann auf den CO2-Bereich übertragen werden und bereits im frühen Projektstadium zu statistisch unterfütterten Ergebnissen führen.
- BAK: Sie vertreten die BAK im Beirat von BIM Deutschland. Was war Ihre Motivation, diesen Posten zu übernehmen und was erhoffen Sie sich vom Kompetenzzentrum, nun da es in die zweite Förderphase eingetreten ist?
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SW: Der Beirat von BIM Deutschland berät die beteiligten Ministerien eher allgemein zu Fragen und Problemen der Digitalisierung; technisch-inhaltliche Aspekte der Arbeit von BIM Deutschland spielen eine untergeordnete Rolle. Die qualifizierte Besetzung mit unterschiedlichsten Akteuren der Wertschöpfungskette Bau sichert eine Diskussion, die weitgehend frei von Lobbyinteressen ist. Dies finde ich enorm wichtig, um Probleme auch identifizieren zu können. Dabei hoffe ich, dass BIM Deutschland nach der Konsolidierung die ihm zugedachte Schlüsselrolle in der Digitalisierung nun auch einnehmen kann.
Hille Bekic ist Architektin und leitete zehn Jahre lang partnerschaftlich ein Architekturbüro mit Schwerpunkt Wohnungsbau. Seit einiger Zeit konzentriert sie sich auf urbane Mobilitätskonzepte. Sie ist Vizepräsidentin der Architektenkammer Berlin und dort für den Arbeitskreis Digitalisierung zuständig. Seit 2019 ist sie Mitglied der Steuerungsgruppe Digitalisierung bei der BAK. Zuletzt moderierte sie das Fokusgespräch „Künstliche Intelligenz“, das im November von der gleichnamigen BAK-Arbeitsgruppe veranstaltet wurde.
- Künstlicher Intelligenz wird ein enormes Lösungspotential zugeschrieben, insbesondere wenn es um die Übernahme repetitiver, nicht-kreativer Aufgaben geht. Wie, denken Sie, werden selbstlernende Systeme in den nächsten Jahren die Arbeit von Architektinnen und Architekten verändern?
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Enorme Hoffnungen und enorme Sorgen, davon ist der aktuelle Hype um die KI geprägt. Die Architekturbranche wird und muss sich in diesem Spannungsfeld möglichst unbeirrt neu aufstellen. Aktuelle Hauptaufgabe ist, die relevanten Stellschrauben in den neuen Prozessen und Strukturen, die wir mit KI entwickeln, zu erkennen und mit unserem Wissen für eine gute Baukultur zu besetzen. Das Bereitstellen von ausreichend diversen und möglichst inklusiven Daten und die umfassende Bewertung und Auswahl der Ergebnisse sind nur zwei davon.
Wichtig wird die Entscheidung sein, ob wir als Planende selbst prompten und programmieren wollen, oder ob wir unsere Teams mit entsprechenden Fachleuten ergänzen. Ich erhoffe mir, dass wir insgesamt eine Entwicklung zu fachübergreifenden Teams schaffen.
Am Ende ist für mich essenziell, welche Aufgaben wir übernehmen wollen, worauf haben wir Lust, wieviel Kreativität und wieviel Repetition ergeben eine gute Balance. Nicht zuletzt steht der berufliche Wandel auch im Kontext KI vor der Frage nach der Ressourcenschonung: Wieviel dürfen wir noch (neu) bauen, welche neuen Planungsaufgaben auf Gebäude-, Quartiers- und Siedlungsebene jenseits des Bauens wie Neunutzung, Flächen- und Energieeffizienz, Verkehrsreduktion, müssen wir erkennen und baukulturell lösen?
- Wie bereiten die Architektenkammern ihre Mitglieder auf eine zukünftige Planungswelt mit Künstlicher Intelligenz vor?
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Auf Ebene der Bundesarchitektenkammer befasst sich die „Ad-hoc-Arbeitsgruppe KI“, zu der fünf Länderkammern bereits aktiv beitragen, mit Künstlicher Intelligenz. Es geht um Sondierung und Aufbereitung des Themas, Handlungsfelder werden identifiziert, weitere Vernetzung bis hin zu Veranstaltungen und Fortbildungsangeboten werden die Ergebnisse sein.
In der Architektenkammer Berlin wird das Thema von dem Arbeitskreis Digitalisierung bearbeitet und für Herbst 2024 planen wir ein Kammerforum zum Thema Künstliche Intelligenz, wo wir die Rolle von KI als Copilot in Planungsprozessen beleuchten und kritisch diskutieren werden.
- Wann ist Ihnen zum ersten Mal klar geworden, dass Sie eine Anwendung nutzen, in der KI steckt und die entsprechend anders funktioniert als man es von herkömmlichen Programmen gewohnt ist?
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Bei einem Tag der offenen Tür der IBM konnte ich einem Computer Fragen stellen und habe einigermaßen intelligente Antworten zu Alltagsfragen erhalten. Ich war fasziniert und nachdem mein Vater mich überzeugt hat, dass hier eine Maschine antwortet, war mein Gedanke: Wie kann ich die Maschine austricksen und sie zu möglichst falschen Antworten verleiten? Das Projekt steckte wohl in den Kinderschuhen, denn ich konnte mit meinen sieben Jahren die Kommunikation schnell in eine Sackgasse führen.
Ein aktuelleres Beispiel der gleichen Art sind die inzwischen üblichen Bots auf Serviceseiten bei Dienstleistern. Auch da ist meine erste Frage – antwortet ein realer Mensch oder eine Maschine? Sobald die Antwort „Maschine“ ist, nehme ich eine Metaebene ein und möchte wissen, wie gut sie arbeitet. Meine ursprüngliche Frage an den Serviceanbieter kann der Bot nicht beantworten, weil ich die Basisinformationen in der Regel schon kenne und der Bot an seine Grenzen stößt. So groß der Hype aktuell auch ist, aus meiner Sicht liegt die menschliche Intelligenz in Sachen Kreativität, sozialer Kompetenz und insbesondere in der Fähigkeit des Dialogs noch eine ganze Weile vorn.
Prof. Daniel Mondino hat seit 2018 die Professur für Digitales Integriertes Prozessmanagement – Planen (BIM) an der HafenCity Universität Hamburg inne. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Büros CORE Digital Engineering und Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft BIM4Bundebau. Außerdem leitet er die Arbeitsgruppe BIM bei der Hamburgischen Architektenkammer und ist Mitglied der Steuerungsgruppe Digitalisierung der BAK.
- BAK: Sie sind mit Ihrem Büro maßgeblich in die Entwicklung der BIM-Strategie des Bundes involviert. Welche Unterstützung können Architektinnen und Architekten in Deutschland von der öffentlichen Hand in Sachen BIM erwarten?
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DM: Ich sehe die Unterstützung im Bereich des Hochbaus vor allem in zwei Aspekten: die Unterstützung des digitalen Wandels der Bauwirtschaft und ihre Rolle als Auftraggeberin.
Ein Baustein des ersten Aspekts ist das BIM-Portal des Bundes mit seinen sich stetig entwickelnden Inhalten. Ein anderer sind die vor Kurzem fertiggestellten Arbeitshilfen des BIM-Handbuchs für den Bundesbau, die frei verfügbar sind und das gemeinsame Verständnis von BIM für alle Projektbeteiligten fördern.
Gleichzeitig unterstützen die Arbeitshilfen, zusammen mit der Umsetzungsstrategie, die Rolle der öffentlichen Hand als Auftraggeberin. Das führt zu einem optimierten Projektaufsatz und damit zu besseren, kooperativen Arbeitsabläufen in Projekten des Bundesbaus. Darüber hinaus strahlt das BIM-Wissen auch in die Bauverwaltungen der Länder hinein und unterstützt die Arbeit von uns Architektinnen und Architekten.
- BAK: Digitale Planungsmethoden werden an den Architekturhochschulen und -universitäten noch sehr vereinzelt und in unterschiedlichem Umfang gelehrt. Wie kann man die breite Implementierung von BIM und anderen digitalen Arbeitsmitteln in der Hochschulausbildung erreichen?
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DM: Der entscheidende Aspekt ist ein Verständnis des Konzeptes hinter BIM. Bei BIM geht es nicht um eine neue Methode, Gebäude zu bauen. Es geht um das fundamentale Verständnis, dass wir in einem komplexen System handeln und wir, wenn dieses funktionieren soll, Informationen optimal zwischen seinen Teilen austauschen müssen. BIM ist dabei ein erster, aber sehr wichtiger Schritt. BIM bringt uns das Verständnis näher, dass wir Lösungen nur gemeinsam erarbeiten können, inter- und transdisziplinär. Und natürlich tun wir das digital. Denn mit digitalen Informationen steuern wir die erforderlichen Prozesse. Dieses Verständnis sollten wir in der Lehre verstärkt und über alle Studiengänge hinweg vermitteln.
- BAK: Was haben Sie von Ihren Studierenden in Sachen Digitalisierung gelernt?
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DM: Dass die Technologie nicht das Problem ist. Die Studierenden gehen mit digitalen Tools auf sehr entspannte Weise um. Wo etwas nicht klappt, finden sie einen Weg. Und sie sind neugierig, informieren sich und erarbeiten tolle Lösungen. Was noch fehlt ist ein Verständnis für die Zusammenhänge und ein Bewusstsein für die Mehrwerte der Kooperation. Gelernt habe ich also, dass wir unseren Fokus auf die Menschen lenken müssen, die „Digitalisierung“ anwenden. Der digitale Wandel schreitet immer schneller voran. Das Wissen von heute ist morgen überholt. Wir müssen Studierende also primär befähigen, sich in einer ständig verändernden (Berufs-)Welt zurechtzufinden.
Eva Holdenried ist Innenarchitektin und Inhaberin von stereoraum Architekten. Sie ist Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und auf Bundesebene Mitglied der Steuerungsgruppe Digitalisierung sowie Leiterin der Arbeitsgruppe Digitalisierung und Nachhaltigkeit der BAK.
- BAK: Was waren Ihre Beweggründe dafür, die Leitung der BAK-Arbeitsgruppe Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu übernehmen?
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EH: Die Digitalisierung begleite ich seit 2016 in der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, aber das Thema Nachhaltigkeit liegt mir echt am Herzen! Die beiden Themen sind die großen Herausforderungen, denen sich unser Berufsstand stellen muss. Es heißt immer die Digitalisierung ist der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit und hier sind gerade in der Planung große Potentiale vorhanden. Daran mitwirken zu können, diese zu heben, ist Ansporn und Motivation für mich.
- BAK: Was macht die Digitalisierung für das Thema Nachhaltigkeit so wichtig?
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EH: Nachhaltigkeitsanalysen sind mit einem immensem Zahlenwerk verbunden. Meines Erachtens lässt sich dieses nur über die Verknüpfung von Modell und Analysesoftware bewältigen und so für Architekturbüros wirtschaftlich darstellen. Die Zielsetzung sollte doch sein, dass wir die Hoheit über Material und Konstruktion haben und in der Lage sind, dem Bauherr Alternativen aufzuzeigen. In der Arbeitsgruppe arbeiten wir daran, frühzeitig – bevor ein Auditor hinzukommt – die Entwürfe im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte zu optimieren und die Möglichkeiten der Digitalisierung auszuschöpfen.
- BAK: In Ihrem Büro arbeiten Sie bereits seit 2010 mit BIM. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Besonderheiten und Herausforderungen bei der Anwendung der BIM-Methode in der Innenarchitektur?
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EH: Als Innenarchitektin arbeite ich meistens im Bestand. Um in der BIM-Methodik planen zu können, ist die Grundlage ein funktionierendes Modell. Deshalb messen wir meistens die Gebäude selbst auf, um eine entsprechende Datenbasis zu haben. Ein wichtiges Thema in der Innenarchitektur sind natürlich die Oberflächen, d.h. wir arbeiten mit vielen detaillierten Bildern. Hier kommen die Modelle aufgrund der Datenmenge gelegentlich an ihre Grenzen. Auch die Abgrenzung und der Datenaustausch zum Hochbau, insbesondere bei Neubauprojekten, ist ein wichtiger Punkt und muss vorab abgestimmt und definiert werden.
Martin Müller ist Innenarchitekt mit Büro in Gelsenkirchen und Mitglied des Vorstands der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Seit 2012 ist er Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer und seit 2019 Vorsitzender der Steuerungsgruppe Digitalisierung, dem Expertengremium der BAK zum Thema digitale Transformationen im Planen und Bauen.
- BAK: Welche Potentiale sehen Sie in der Digitalisierung für die Architektur?
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MM: Die Umgestaltungsprozesse, die mit der digitalen Transformation einhergehen, ermöglichen uns, noch einmal von Grund auf über unsere Planungsprozesse nachzudenken. Denn es soll ja nicht darum gehen, Arbeitsabläufe einfach nur eins-zu-eins ins Digitale zu übertragen, sondern sie – etwa unter Aspekten des Klimaschutzes, der Baukultur oder der Inklusion – zu verbessern. So arbeitet die BAK, um ein Beispiel zu nennen, intensiv am digitalen Bauantrag mit, um damit auch eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren auf Behördenseite zu erreichen.
- BAK: Welche Themen stehen für Sie aktuell im Vordergrund?
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MM: Die Digitalisierung bietet ein wesentliches Werkzeug dafür, um die Komplexität der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere, was den Klimaschutz betrifft. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass nachhaltige Planung überhaupt nur noch mit digitalen Mitteln zu erreichen ist. Einige Tools existieren bereits, etwa wenn es um klimabezogene Simulationen oder um CO2-Bilanzierungen via BIM-Modell geht. Andere müssen erst noch entwickelt werden. Hier kann uns insbesondere die Künstliche Intelligenz helfen, jedoch sind konkrete Anwendungen in der Architektur noch Einzelerscheinungen und auch die Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen steht noch am Anfang.
- BAK: Und welche Thematik liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?
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MM: Vor dem Hintergrund meiner eigenen praktischen Tätigkeit ist das die Digitalisierung mit Bezug auf das Bauen im Bestand. Vor allem die BIM-Methode ist meiner Meinung nach noch immer zu sehr auf den Neubau ausgerichtet. Jedoch sind 70 Prozent aller Architekturprojekte Projekte im Bestand. Und mit der immer stärkeren Ausrichtung auf eine nachhaltige Planung und der damit verbundenen Aktivierung von Bestandsgebäuden wird diese Zahl noch steigen. Mit dem praxisorientierten Leitfaden „Digitalisierung und Bauen im Bestand“ in der BAK-Reihe BIM für Architekten war die BAK eine der Ersten, die zum Thema aktiv geworden ist.