Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Bericht aus Brüssel der Bundesarchitektenkammer informiert über aktuelle europäische Themen, die für den Berufsstand der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner relevant sind. Wir freuen uns über Anregungen und Rückmeldungen.
Dies ist der letzte Bericht aus Brüssel in diesem Jahr. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine schöne Adventszeit, fröhliche Weihnachten sowie ein glückliches und insbesondere gesundes neues Jahr!
Ihr Team im EUEU Europäische Union-Verbindungsbüro der Bundesarchitektenkammer in Brüssel
INHALTSVERZEICHNIS
1 INSTITUTIONELLES
1.1 NEUES EUROPÄISCHES BAUHAUS – WEITERE SCHRITTE ZU DER KOMMISSIONSINITIATIVE
Die Initiative der Kommissionspräsidentin für ein neues Europäisches Bauhaus, die sie erstmals in ihrer Rede zur Lage der Union im September ankündigte und die Teil der Mitteilung zur Renovierungswelle von Gebäuden ist, nimmt weiter Gestalt an. Übergreifende Ziele der Initiative sind ein besseres Zusammenleben sowie die Förderung der Klimaziele und Nachhaltigkeit. Zurzeit ist das Projekt in der sogenannten „Designphase“, in der es darum geht, in einem partizipativen Ansatz Ideen zu sammeln und es konkreter zu definieren. Es sollen ein Toolkit erarbeitet und eine Internetseite aufgebaut werden. Es werden zurzeit viele Gespräche geführt. Der Architects’ Council of Europe (ACEACE Architects’ Council of Europe Conseil des Architectes d’Europe) hat mit den europäischen Verbänden der Fachrichtungen sowie weiteren Organisationen eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Die Idee wird darin als eine Kehrtwende im Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnet. Die Bundeskammerversammlung der BAKBAK Bundesarchitektenkammer hat am 4. Dezember eine Resolution zum Europäischen Bauhaus verabschiedet, in der die deutschen Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen ihre aktive Unterstützung bei der Initiative anbieten.
Die Erklärung des ACE finden Sie hier. Die BAK-Resolution zum Europäischen Bauhaus finden Sie hier.
2 STÄRKUNG FREIBERUFLICHKEIT UND FÖRDERUNG MITTELSTAND
2.1 VERTRAGSVERLETZUNGSVERFAHREN ZUR BERUFSANERKENNUNGSRICHTLINIE
Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der nach Ansicht der Europäischen Kommission unzureichenden Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG) ist in die zweite Stufe gelangt. Die Bundesrepublik hat nunmehr eine mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission erhalten. Die Kommission wirft Deutschland vor, die Umsetzung hinsichtlich des freien Dienstleistungsverkehrs bei Ingenieurleistungen und die Anerkennung von Ingenieuren für Niederlassungszwecke genüge nicht den Anforderungen der Richtlinie. Ferner meint sie, Bestimmungen der Richtlinie seien in sektorspezifischen Rechtsvorschriften nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden. Dies betrifft neben Berufen im Gesundheits- sowie Handwerksbereich auch den Architekturberufsstand. Die BAK prüft mit den Länderministerien zurzeit, inwieweit die Architektengesetze betroffen sind bzw. Gesetze angepasst werden müssen. Die deutschen Behörden können innerhalb von zwei Monaten dazu Stellung nehmen sowie Maßnahmen ergreifen, um eine mögliche Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union zu vermeiden.
2.2 BINNENMARKT FÜR DIENSTLEISTUNGEN – INITIATIVBERICHT UND STUDIE DES IMCO-AUSSCHUSSES
Der Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO) des Europäischen Parlaments hat am 2. Dezember seinen Initiativbericht zum Thema “Stärkung des Binnenmarktes: die Zukunft des freien Dienstleistungsverkehrs” angenommen. Er formuliert darin seine Positionen zur Verbesserung des Binnenmarktes für Dienstleistungen und fordert die Kommission auf, die Durchsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Ferner erkennt er den besonderen Status von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse an. Hier wird das Recht der Mitgliedstaaten hervorgehoben, den Dienstleistungssektor im allgemeinen öffentlichen Interesse zu regulieren und Verbraucher sowie die Qualität von Dienstleistungen zu schützen. Das Plenum wird voraussichtlich im Januar über den Bericht abstimmen.
Die BAK hatte sich gemeinsam mit dem ACE dafür eingesetzt, beim Thema Regulierung zu einer ausgewogenen Sichtweise zu gelangen. Der Bericht nimmt in dieser Hinsicht wichtige Forderungen des Berufsstands auf.
Ende November wurde ferner im Auftrag des IMCO-Ausschusses unter dem Titel „Legal obstacles in Member States to Single Market rules“ eine Studie zum Zustand des EU-Binnenmarktes vorgelegt. Zum Thema grenzüberschreitende Dienstleistungen kommt sie zu dem Schluss, durch mangelnde Umsetzung und Anwendung von EU-Recht bestünden weiterhin ungerechtfertigte Hindernisse. Grundsätzlich wird jedoch das Recht betont, verhältnismäßige und durch übergeordnete Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigte Berufsregulierungen zu erlassen.
Die IMCO-Pressemitteilung zum Initiativbericht finden Sie hier. Die Studie können Sie hier abrufen.
2.3 EP-ENTSCHLIEßUNGEN ZUR KÜNSTLICHEN INTELLIGENZ
Ende Oktober verabschiedete das Europäische Parlament Entschließungen zur Regulierung von künstlicher Intelligenz (KIKI Künstliche Intelligenz). Diese enthalten Empfehlungen an die Europäische Kommission zu ethischen Fragen und geistigem Eigentum. Die Kommission wird aufgefordert, einen neuen Rechtsrahmen mit ethischen Grundsätzen und rechtlichen Verpflichtungen vorzulegen, der für Software, Algorithmen und Daten gelten soll und bei der Entwicklung und Nutzung von KI, Robotik und ähnlichen technischen Lösungen zu beachten ist. Im Vordergrund müsse der Schutz der Menschenrechte stehen. Technologien, die gegen die von der EU aufgestellten Grundsätze verstoßen, sollten in der EU nicht eingesetzt werden.
Die BAK hat im Mai eine Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag für ein Weißbuch für Künstliche Intelligenz abgegeben, in der sie darauf hinweist, dass KI-Anwendungen die Planung und gestalterische Arbeit von Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen unterstützen können. Sie begleitet die EU-Vorhaben in ihrer Ad-hoc-Arbeitsgruppe zu KI. Die Entschließung zu ethischen Aspekten von KI finden Sie hier, die Entschließung zu Rechten des geistigen Eigentums hier.
2.4 DATENAUSTAUSCH IN DER EU – VORSCHLAG FÜR EINE VERORDNUNG ZUM „DATA GOVERNANCE ACT“
Die Europäische Kommission hat im November einen Vorschlag für Regeln zum Datenaustausch vorgelegt, Data Governance Act (COM(2020) 767 final). Dieser ist Teil der Strategie zum Datenaustausch in der Union, mit der ein europäischer Rahmen für die ständig wachsenden Datenbestände geschaffen werden soll. Ziel ist, den Datenaustausch unter Bedingungen zu fördern, die sowohl öffentliche Interessen als auch berechtigte Interessen der Datenanbieter gewährleisten. Es sollen unionsweit und branchenübergreifend im Datenverkehr klare, praktikable und faire Vorschriften für den Zugang zu und die Weiterverwendung von Daten gelten, auch im Bausektor. Weitere Vorschläge sollen ab 2021 erfolgen, mit denen der Datenaustausch zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Regierungen gefördert werden soll.
Die BAK prüft noch, inwieweit sie sich hierzu positionieren wird.
Den Verordnungsvorschlag finden Sie hier, weitere Informationen zur Europäischen Datenstrategie hier.
3 NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE PLANEN UND BAUEN
3.1 VERBÄNDEAPPELL AN DIE BUNDESREGIERUNG ZUR RENOVATION WAVE
Die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom Oktober initiierte Renovierungswelle hat schon jetzt für Resonanz auf nationaler Ebene gesorgt. Die BAK hat sich an einem Appell von mehr als 40 Verbänden an die Bundesregierung beteiligt, in dem die ehrgeizigen Ziele als notwendiger Anstoß zur Erreichung der Klimaziele begrüßt werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft im Europäischen Rat und im Rat der EU um Unterstützung für die Strategie zu werben. Zugleich wird vorgeschlagen, in den deutschen Aufbau- und Resilienzplan ein Sonderprogramm zur energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden, einen Sonderfonds für sozialverträgliche Modernisierung von Mietshäusern sowie eine Aus- und Weiterbildungsoffensive zur Behebung des Fachkräftemangels und Erhaltung der notwendigen Qualität aufzunehmen. Der letzte Punkt wurde auf Anregung der BAK aufgenommen. Es sollte nicht jeder – ohne Vor- und Fachkenntnisse – befähigt werden, Aufgaben zu übernehmen, die das umfangreiche Fachwissen von Architektinnen und Architekten benötigen.
Den Appell finden Sie auf der BAK-Internetseite.
3.2 CONSTRUCTION 2020 – ARBEITSGRUPPPENSITZUNG ZU DIGITALISIERUNG
Am 3. Dezember fand eine virtuelle Sitzung der Arbeitsgruppe “Förderung von Investitionen in Gebäudesanierung, Infrastruktur und Innovation” der Construction 2020-Initiative statt, bei der auch die BAK vertreten war. Die Initiative wird von der Generaldirektion Binnenmarkt geleitet und bringt seit 2012 Interessensvertreter zum Austausch über die Zukunft des europäischen Bausektors sowie über europäische Vorhaben zusammen. Auf der Tagesordnung standen die Digitalisierung des Bausektors und entsprechende EU-Förderprogramme hierfür sowie potenzielle Instrumente wie die digitale Baugenehmigung und digitale Gebäudelogbücher. Im Rahmen der Renovation Wave-Initiative wird die Kommission genauer prüfen, wie diese Vorhaben auf EU-Ebene implementiert werden können.
3.3 KONSULTATIONEN ZU EU-RECHTSAKTEN IM BEREICH KLIMA UND ENERGIE
Die Europäische Kommission hat im November vier öffentliche Konsultationen gestartet, mit denen sie bis Anfang Februar 2021 Einschätzungen zu zentralen Rechtsakten der EU-Klima- und Energiegesetzgebung abfragt: Energieeffizienz-Richtlinie, Erneuerbare-Energien-Richtlinie, Emissionshandelsrichtlinie und Lastenteilungsverordnung. Ziel ist, diese Rechtsakte im Hinblick auf das neue EU-Klimaziel 2030 zu überprüfen und eventuellen Anpassungsbedarf festzustellen. Für Juni 2021 plant die Kommission, die entsprechenden Gesetzesvorschläge vorzulegen.
Alle Konsultationen enthalten gezielte Fragen dazu, welche EU-Vorschriften mit Bezug zu Gebäuden künftig in Betracht kommen könnten. Dies betrifft beispielsweise Mindestanforderungen zum Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden, mögliche Synergien zwischen der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden mit der Energieeffizienz-Richtlinie sowie eine Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Gebäude. Die BAK prüft derzeit, an welchen Konsultationen sie sich beteiligen wird.
Zu den Konsultationen zur Energieeffizienz-Richtlinie gelangen Sie hier, zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie hier, zur Emissionshandelsrichtlinie hier und zur Lastenteilungsverordnung hier.
4 ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE STADT UND LÄNDLICHER RAUM
4.1 ANNAHME DER NEUEN LEIPZIG CHARTA
Am 30. November wurde bei einem informellen Ministertreffen zur Stadtentwicklung unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft die neue Leipzig Charta verabschiedet. Unter dem Titel “The New Leipzig Charter – The transformative power of cities for the common good” werden in der Neuauflage drei grundlegende Dimensionen für einen nachhaltigen städtischen Wandel definiert, die soziale, ökonomische und ökologische Aspekte einschließen: „The just city, the green city and the productive city“. Ziel ist, eine stärkere Berücksichtigung der stadtpolitischen Themen in der europäischen Politik zu erreichen und die Rolle der Städte bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit hervorzuheben. Der Text beinhaltet den von der BAK geforderten ganzheitlichen Ansatz für eine hohe Baukultur als Grundlage für integrierte Planung und die Gestaltung der gebauten Umwelt (Seite 2 und 6 der Charta).
Ein neues Element der Charta ist ein Umsetzungsplan für die weitere Zusammenarbeit auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene.
Im Dezember sind unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ferner Schlussfolgerungen des Rates zur Leipzig Charta vorgesehen, um den Bezug zu den EU-Themen und Vorhaben zu stärken.
Sie finden die neue Leipzig Charta hier und den Umsetzungsplan hier.
4.2 FORUM URBANE AGENDA FÜR DIE EU – KULTUR UND BAUKULTURELLES ERBE IN EUROPA
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMIBMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) zusammen mit der italienischen Regierungsbehörde für territorialen Zusammenhalt und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat am 24./25. November unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine digitale Veranstaltung der Partnerschaft für Kultur und kulturelles Erbe der Urbanen Agenda für die EU durchgeführt. Es handelt sich dabei um ein Netzwerk aus 30 Partnern, das derzeit Pilotprojekte und Handlungsempfehlungen, sog. „Aktionen“, zum kulturellen Erbe erarbeitet. Die BAK ist im nationalen Begleitkreis der Partnerschaft vertreten und bringt die Position des Berufsstands hier direkt ein. In den Diskussionen ging es um Kultur und Baukultur als die wesentlichen Grundlagen für die Weiterentwicklung unserer Lebensräume und für gerechte, grüne und produktive Städte. Die Partnerschaft hat einen übergreifenden, ganzheitlichen und pragmatischen Ansatz entwickelt und Schlussfolgerungen angenommen, bei denen sich auch die BAK eingebracht hatte. Die BAK hatte insbesondere betont, dass die Pandemie die Bedeutung von Baukultur und Kulturerbe vor Augen geführt hat und diese eine wichtige Rolle haben, um den Zusammenhalt zu stärken.
Sie finden die Schlussfolgerungen hier.
5 VERBÄNDE
5.1 ACE-HERBSTGENERALVERSAMMLUNG UND GENERALVERSAMMLUNGEN DER ILS-VERBÄNDE AUF EUROPA- UND WELTEBENE
Am 27. November fand die ACE-Herbstgeneralversammlung mit über 80 Teilnehmern unter Leitung des Präsidenten Georg Pendl in virtueller Form statt. Georg Pendl hob die erfreuliche Initiative der Kommissionspräsidentin zu einem neuen Europäischen Bauhaus hervor, zu der der ACE mit Partnerorganisationen eine politische Erklärung abgegeben hat (siehe Ziff. 1.1). Der ACE ist ebenso wie die BAK zu einem Gespräch mit Frau von der Leyen eingeladen, das zurzeit vorbereitet wird. Die weiteren Redner begrüßten ebenfalls die Kommissionsinitiative, die eine Kehrtwende der politischen Ausrichtung beinhalte. Die Forderung der Niederlande nach einer neuen Strategie und Ausrichtung der berufspolitischen Arbeit soll in Arbeitsgruppen behandelt werden.
Auch die internationalen und europäischen Verbände der ILS-Fachrichtungen – IFLA World und IFLA Europe, ECTP und ECIA – hielten im Herbst ihre Generalversammlungen virtuell ab. Der ECIA nahm eine novellierte Fassung seiner Charta zur Ausbildung von Innenarchitekten und -architektinnen an, bei deren Überarbeitung die BAK sich gemeinsam mit dem bdia eingebracht hatte. IFLA World befasste sich mit einer neuen Definition des Berufs auf Ebene der International Labour Organization (ILO), die unter Leitung des BAK-Delegierten Prof. Auweck erarbeitet wurde. Der ECTP verabschiedete ein Positionspapier zur Neuorientierung der Planung nach der Pandemie.