Aktuell gelten Sonderreglungen zu Preisgleitklauseln für Bundesbaumaßnahmen. Das Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSBBMWSB Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) und des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hatten sie im März 2022 erlassen und seitdem laufend verlängert. Anlass waren Lieferengpässe und Materialpreissteigerungen wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Nun haben sich die Preise für viele Bauprodukte wieder stabilisiert. Die Sonderregelungen laufen zum 30.6.2023 aus.
Rechtslage ab 1.7.2023
Das Ende der Sonderreglungen kann sich auf neue und alte Vergabeverfahren sowie auf bestehende Verträge auswirken. Welche Auswirkungen ab dem 1.7.2023 beachtet werden sollten, erläutern BMWSB und BDMV in ihren aktuellen Erlassen:
Erlasslage bis zum 30.6.2023
Derzeit führen der Krieg in der Ukraine und die verhängten Sanktionen gegen Russland zu einem weiteren Preisanstieg vieler Baustoffe. Dadurch rücken Fragen der Preisanpassung in laufenden Vertragsverhältnissen sowie die Möglichkeit zur Vereinbarung von Preisgleitklauseln bei der Auftragsvergabe verstärkt in den Fokus. Dabei ist Folgendes zu beachten:
Aktueller Hinweis, 8.12.2022
Das BMWSB hat die Sonderregelungen zum Umgang mit Lieferengpässen und Materialpreissteigerungen verlängert. Sie gelten nun bis zum 30.6.2023.
Hinweise zum Umgang mit Preissteigerungen
- 1. Erlasslage Bundesebene
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a) Stoffpreisgleitklauseln für Bauaufgaben des Bundes bis 30.6.2023
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) haben erstmals am 25.3.2022 auf die Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs reagiert. Sie haben Praxishinweise für kommende und laufende Bundesbaumaßnahmen herausgegeben, mit denen Preisgleitklauseln für Bauaufgaben des Bundes möglich wurden (Erlass des BMWSB – BWI7-70437/9#4, Erlass des BMDV – StB 14/7134.2/005/3655805).
Die Erlasse galten zunächst befristet bis zum 30.6.2022. Am 22.6.2022 haben BMWSB und BMDV ihre Erlasse angepasst und bis zum 31.12.2022 verlängert (Pressemitteilungen vom 24.6.2022 des BMWSB und des BMDV). Am 6.12.2022 hat das BMWSB die Sonderregelungen für die Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln um weitere sechs Monate bis zum 30.6.2023 verlängert (Erlass des BMWSB vom 6.12.2022, zweite Verlängerung Stoffpreisgleitklausel, Pressemitteilung des BMWSB).
Die wesentlichen Regelungen lauten aktuell:
- Die Sonderregelungen gelten bis zum 30.6.2023.
- Die Schwelle, ab der Stoffpreisgleitklauseln zu vereinbaren sind, beträgt 0,5 % des Stoffanteils an der Auftragssumme. So wird verhindert, dass sich mehrere, knapp unter 1 % liegende Stoffpositionen zu erheblichen Mehrbelastungen für das Unternehmen kumulieren.
- Es wird eine alternative Handhabung der Stoffpreisgleitklausel eingeführt. Diese basiert, statt auf einem von der Bauverwaltung in den Ausschreibungsunterlagen vorgegebenen Preis, auf dem tatsächlichen Angebotspreis des Unternehmens, das den Zuschlag erhält.
- Es wird betont, dass die Feststellung einer unzumutbaren Mehrbelastung für das Unternehmen in bestehenden Verträgen im Einzelfall getroffen werden muss. Eine feste Prozent- oder Betragsgrenze, ab deren Überschreiten solches stets anzunehmen sei, wird es weiterhin nicht geben, da dies durch die geltende Rechtslage nicht gedeckt ist.
- Als ein Mittel, um unzumutbare Mehrbelastungen des Unternehmens in bestehenden Verträgen abzufedern, können Stoffpreisgleitklauseln auch nachträglich vereinbart werden. Diese nachträglichen Klauseln waren bisher mit einem erhöhten Selbstbehalt für das Unternehmen in Höhe von 20 % versehen. Der Selbstbehalt wird aktuell auf den „normalen“ Satz von 10 % abgesenkt, der auch für Stoffpreisgleitklauseln in neuen Verträgen gilt.
- Der Selbstbehalt soll das Unternehmen dazu anhalten, trotz des ihm durch die Klausel im Wesentlichen abgenommenen Preisrisikos wirtschaftlich einzukaufen. Im Übrigen wirkt der Selbstbehalt, wie die Stoffpreisgleitklausel im Ganzen, in beide Richtungen. Sinken Einkaufpreise unter das kalkulierte Maß, kann das Unternehmen bis zu 10 % der Einsparung für sich behalten, ohne den Auftraggeber daran beteiligen zu müssen.
b) Vertragsanpassung und Preisgleitklauseln in der öffentlichen Auftragsvergabe für Liefer- und Dienstleistungen
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 24.6.2022 zudem Hinweise zum Umgang mit Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe (Liefer- und Dienstleistungen) vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine veröffentlicht (Rundschreiben des BMWK, IB6 – 20606-001). In der Pressemitteilung des BMWK heißt es:
„Es besteht trotz der mit den Preissteigerungen einhergehenden Unwägbarkeiten in der Praxis die Notwendigkeit, Planungen zur Beschaffung fortzusetzen, Aufträge auszuschreiben und zu vergeben. Im transparenten und fairen Wettbewerb sind geeignete Anbieter zu finden, die anforderungsgerecht die ausgeschriebenen Leistungen anbieten (können). Das Risiko von Preisschwankungen trägt grundsätzlich der Auftragnehmer. Er hat die Leistung zum vereinbarten Preis zu erbringen. Die stark volatilen Preise, die derzeit zu beobachten sind, bedeuten für die Unternehmen jedoch ein nur schwer kalkulierbares Risiko. In dieser außergewöhnlichen Situation ist vorübergehend ein besonders umsichtiger Umgang von öffentlichen Auftraggebern und Auftragnehmern erforderlich. Das geltende Recht lässt Möglichkeiten der Vertragsanpassung zu. Auch sog. Preisgleitklauseln können im Einzelfall dazu beitragen, den Auswirkungen der Kriegsereignisse in der Ukraine und den in diesem Zusammenhang verhängten Sanktionen Rechnung zu tragen.“
- 2. Auswirkungen für Architektinnen und Architekten
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Auch für Architektinnen und Architekten haben die Preissteigerungen Auswirkungen: Einerseits gehört zu ihren Nebenpflichten die laufende Kostenkontrolle und entsprechende Beratung derer, die den Bau in Auftrag geben (BGH, Urteil v. 23.1.1997 – VII ZR 171/95). Andererseits ist bei Kostenermittlungen vom Kostenstand zum Zeitpunkt der Ermittlung auszugehen: Aus rein marktbedingten Preissteigerungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für Fehler von Kostenermittlungen (Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, § 4 HOAI Rn. 51).
Vertreten wird, dass sich für Materialpreissteigerungen die Verantwortung der Architekturschaffenden darauf beschränkt, die Bauherrin oder den Bauherrn unverzüglich auf eine Überschreitung des Gesamtkostenrahmens hinzuweisen (Prause, DAB 2017, 36). In diesen Fällen ist eine eventuelle Kostenobergrenze für die Kostengruppe 300 und der Gesamtkostenrahmen entsprechend anzupassen. Wünschen Auftraggebende stattdessen eine Umplanung, um Kosteneinsparungen zu erzielen, ist § 10 HOAI zu beachten (Prause, DAB 2017, 36; auch online: „Die Kostenbremse kann teuer werden“).
- 3. Auswirkungen für Bauunternehmen und Handwerk
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Bereits in der Vergangenheit änderten sich je nach Marktlage die Stahl- oder Kupferpreise innerhalb der Bauzeit zum Teil gravierend (Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter, E.II.3.). Neben Auftragnehmenden forderten auch die den Baustahl liefernden Unternehmen gegenüber ihrer Vertragspartei oftmals eine Vertragspreisanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“, wenn es zu solchen Preiserhöhungen kam.
Das OLG Hamburg (Urteil v. 28.12.2005 – 14 U 124/05 [nachfolgend BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – VII ZR 55/06; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen]) und das OLG Düsseldorf (Urt. v. 19.12.2008 – 23 U 48/08) lehnten jeweils bei den streitgegenständlichen Fallkonstellationen eine Preisanpassung u. a. mit der Begründung ab, die Auftragnehmenden hätten sich vorausschauend eindecken oder Preisgleitklauseln vereinbaren können. Die eingetretenen Preiserhöhungen fielen in ihren Risikobereich. Dieser Auffassung wird in der Literatur teilweise dahingehend entgegengetreten, dass eine Entwicklung plötzlich und für alle überraschend eintreten kann; „vorausschauend“ ist dann nichts zu sehen (Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, § 2 Rn. 506). Nach dieser Auffassung soll auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen sein: Wenn Baustahl lediglich 10 Prozent der Gesamtkosten bei einem Generalunternehmen ausmache, sähe die Situation anders aus als bei einem reinen Stahlbauunternehmen, das einen Großauftrag abwickele.
Wie sich die Rechtsprechung mit Blick auf kriegsbedingte Preissteigerungen in laufenden Vertragsverhältnisse entwickeln wird bzw. wie der Gericht die Risikoverteilung in konkreten Einzelfällen beurteilen werden, ist daher noch nicht absehbar. Hinzuweisen ist auf die in den oben genannten Erlassen vom 25.3.2022 und 22.6.2022 des BMWSB angesprochene Möglichkeit (!) zur Vertragsanpassung.
Öffentliche Auftraggebende werden selbst zu prüfen haben, ob dieser Erlass oder ggf. entsprechende Regelungen auf Landesebene bei ihrem konkreten Bauprojekt zu beachten und wie diese vertraglich umzusetzen sind. Im Erlass vom 22.6.2022 heißt es zu dieser Thematik:
- Erlasse des BMWSB sind allein verbindlich für das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung sowie die Länderbauverwaltungen, soweit sie in Organleihe Bauaufgaben des Bundes wahrnehmen.
- Für die Länderbauverwaltungen in Angelegenheiten des Landesbaus sind sie nicht verbindlich, sondern es gelten die jeweiligen Landesregelungen. Zahlreiche Länder übernehmen die Regelung des Bundes jedoch für ihren Zuständigkeitsbereich.
- Inwieweit sie für die Kommunen gelten, hängt von der Regelung des jeweiligen Landes ab. Einige Länder empfehlen ihren Kommunen die Anwendung.
- Für Bauverträge zwischen Privaten entfalten Erlasse keine Bindungswirkung.
- Ob Empfänger von Zuwendungen des Bundes den Erlass beachten müssen, entscheidet sich nach den Bestimmungen des Zuwendungsbescheids. Die einschlägigen Nebenbestimmungen für Zuwendungen verpflichten die Zuwendungsempfänger bei der Vergabe von Baumaßnahmen zur Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A). Diese enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, ob und in welcher Form Stoffpreisgleitklauseln vorzusehen sind. Insbesondere sehen § 7 Absatz 1 Nummer 3, § 9d VOB/A nicht ausdrücklich Stoffpreisgleitklauseln vor. Mit dem Erlass wird die VOB/A nicht geändert, sie wird lediglich ausgelegt, mit Bindungswirkung allein für die Adressaten des Erlasses. Ob ein Zuwendungsbescheid über die üblichen Nebenbestimmungen hinaus Regelungen enthält, die eine Bindung an den Erlass begründen könnten, muss im Einzelfall geprüft werden.
- 4. Keine Rechtsberatung und Rechtsgestaltung durch Architektinnen und Architekten
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Für die Bauunternehmen ist es also sehr schwierig, nach Vertragsschluss eingetretene Preissteigerungen an die Bauherrin oder den Bauherrn weiterzugeben. Dies ist auch auf Unternehmensseite hinlänglich bekannt (vgl. Pressemitteilung Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen (BGVHT) v. 30.3.2021). Da die frühzeitige Bevorratung mit Material umgekehrt ebenfalls für viele Unternehmen kaum zu bewerkstelligen ist, versuchen diese derzeit verstärkt, bei neu abzuschließenden Verträgen von vornherein Preisanpassungsklauseln zu implementieren – und lehnen anderenfalls bisweilen den Vertragsschluss vollständig ab, sofern nicht alternativ entsprechende Risikoaufschläge auf die Preise akzeptiert werden.
Preisanpassungsklauseln zu prüfen oder gar zu formulieren, ist aber auch in dieser schwierigen Marktlage nicht Aufgabe von Planerinnen und Planern, sondern Aufgabe rechtsberatender Vertragsgestaltung: Derartige Klauseln sind hoch komplex (vgl. Leinemann, NJW-aktuell 39/2021, 19). So müssen die Voraussetzungen und der Mechanismus der Preisanpassung juristisch präzise und nachprüfbar formuliert sein, wobei überwiegend auf fest definierte Indizes als Bezugspunkt verwiesen und die exakte kalkulatorische Auswirkung auf die jeweilige Preisposition festgelegt wird (vgl. von Kiedrowski, BauR 2021, 1193f.). Zudem wird zumeist auch die Pflicht der Unternehmen aufgenommen, nachzuweisen, dass die Mehrkosten nicht nur nach jener abstrakten Formel, sondern auch tatsächlich konkret im Unternehmen entstanden sind.
Um hier nicht in das Risiko unzulässiger und unversicherter Rechtsberatung zu geraten, empfiehlt es sich daher dringend, die den Bau beauftragenden Personen oder Institutionen bei Fragen zur Gestaltung solch komplexer Klauseln – wie auch bei der Prüfung von Preisanpassungsverlangen des Unternehmens in laufenden Vertragsverhältnissen – auf rechtsberatende Hilfe zu verweisen (vgl. Kerkhoff, DAB‑Online „Rechtsberatung durch Architekten“ dort: „Erstellen und Prüfen von Bauverträgen“).
Zu bedenken ist im Übrigen, dass die Umsetzung einer solchen Klausel später die Rechnungsprüfung wesentlich erschweren und dazu führen kann, dass baubetriebswirtschaftliche Prüfungen bzw. Nachtragsprüfungen erforderlich werden, die nicht zu den Grundleistungen in der Objektplanung zählen, sondern Besondere Leistungen darstellen und unter Umständen die Hinzuziehung von Personen mit HOAI-Sachverstand erforderlich machen könnten. Auch vor diesem Hintergrund sind derartige Klauseln aus Sicht derer, die den Bau beauftragen, zumeist wenig wünschenswert.
- 5. Honorarrechtliche Auswirkungen der Preissteigerungen
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a) Keine Anpassung der anrechenbaren Kosten
Die grundsätzlich alleinige Bezugsgröße für anrechenbare Kosten ist das Ergebnis der Kostenberechnung, eine Grundleistung in der Leistungsphase 3 (Preussner, in: Messerschmidt/Niemöller/Preussner, HOAI, § 6 Rn. 19.1). Ziel war es, die Vergütung der Planungsleistung von den tatsächlichen Baukosten abzukoppeln. Deshalb orientiert sich das Planungshonorar nach der Kostenberechnung in dieser frühen Leistungsphase. Die Gründe liegen auch darin die Abrechnung zu vereinfachen sowie in der gewissen Kostensicherheit und sollen bei Architekturschaffenden dazu führen, ein Eigeninteresse daran zu haben, dass die Kosten eingehalten werden (Koeble, in: Koeble/Locher/Frik, HOAI, § 6 Rn. 18).
Entsprechend führen Steigerungen der Materialpreise nach Vorlage der Kostenberechnung grundsätzlich nicht zu einem höheren Honorar.
b) Mehraufwand wegen Preissteigerungen
Ein Mehraufwand bei den Leistungen von Auftragnehmenden wegen Preissteigerungen kann sich in unterschiedlichen Arten von Leistungen zeigen.
aa) Mehraufwand wegen Preissteigerungen – Besondere Leistungen
Die Umsetzung einer Preisanpassungsklausel kann für die Architektinnen und Architekten einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, sofern entsprechende Angaben vertraglich übernommen werden. In den Leistungsverzeichnissen ist zu eruieren, welche Positionen aufgrund ihrer Materialien voraussichtlich von den Preissteigerungen betroffen sein könnten. Ggf. ist der Anteil des Materials am Gesamtprodukt festzustellen (z. B. Holzfenster mit einem Anteil von 50 % Eichenholz) sowie der Materialpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bei der späteren Rechnungsprüfung muss dann die Preisentwicklung ermittelt und der neue Preis anhand der im Rahmen der Preisgleitklausel festgelegten Bezugsgröße (Preisindex) für das betreffende Material fortgeschrieben werden.
Leistungen in diesem Kontext zählen nicht zu den Grundleistungen in der Objektplanung Gebäude. Dies folgt bereits aus der Struktur der Grundleistungen, die nur solche Leistungen umfassen, die im Allgemeinen zur Erfüllung eines Auftrages erforderlich sind (§ 3 Abs. 2 HOAI). Hierzu zählen in der Literatur insbesondere nicht das Ausfüllen erforderlicher Formblätter und Vordrucke (etwa Formblatt 225 nach VHB Bund) sowie die Mengenermittlung bestimmter Baustoffe oder die Abfrage von Referenzpreisen bei Lieferanten zur Vorbereitung von Preisgleitklauseln (vgl. Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 3. Auflage 2022, 4. Teil, HOAI § 34, Rn. 225a, 239, 249; Fuchs: Mehraufwand des Architekten infolge Preisgleitung, NZBau 2022, 563, 565, 567). Auch das Prüfen von Preisanpassungen infolge einer solchen Klausel im Zuge der späteren Rechnungsprüfung stellt demnach keine Grundleistung dar (vgl. Seifert/Fuchs, a. a. O., Rn. 319; Fuchs, a. a. O., Rn. 563, 566 f; Menzel, Stoffpreisgleitklauseln als Grundleistungen?, DAB 8/2022, 42 f.).
Die zuvor genannten Leistungen zur Umsetzung einer Preisanpassungsklausel können an die Besondere Leistung „Mitwirken bei der Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten“ angelehnt werden (HOAI Anlage 10.1, Leistungsphase 7), woraus ein zusätzlicher Honoraranspruch resultiert, der frei vereinbart werden kann.
Denkbar ist auch die Besondere Leistung „Analyse der Alternativen/Varianten und deren Wertung mit Kostenuntersuchung (Optimierung)“ (HOAI Anlage 10.1, Leistungsphase 3). Diese kann im Zuge der Suche nach anderen, ggf. kostengünstigeren Materialien notwendig werden.
In Frage kommt bei Preissteigerungen weiter die Besondere Leistung „Prüfen und Werten von Nebenangeboten mit Auswirkungen auf die abgestimmte Planung“ (HOAI Anlage 10.1, Leistungsphase 4).
Die Besonderen Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 2 HOAI nicht an Leistungsphasen gebunden und können in allen Leistungsphasen anfallen.
bb) Mehraufwand wegen Preissteigerungen – Wiederholte Grundleistungen
Wegen Preissteigerungen oder unerwartet hoch ausgefallener Angebote veranlassen Auftraggebende die Wiederholungen bereits erbrachter Leistungen, indem sie beispielsweise Leistungsverzeichnisse wiederholen oder die Planung ändern lassen, um die Kosten zu reduzieren.
Wiederholte Leistungsverzeichnisse innerhalb der Leistungsphase 6 können auch die teilweise Wiederholung der Leistungsphase 5 bedingen und im Regelfall die Wiederholung weiterer Grundleistungen insbesondere aus der Leistungsphase 7.
Hier gilt der Grundsatz: Sobald Auftraggebende etwas anderes oder etwas zusätzliches wünschen, begehren sie im Sinne von § 650b BGB (i. V. m. § 650q BGB) „eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs“.
Beauftragt wird in solchen Fällen, vereinfacht formuliert, eine Änderung der Planung mit der Folge, dass der in § 650b BGB beschriebene Ablauf zu beachten ist.
- 6. Auflage und Verfasser
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7. Auflage, Stand 3.1.2023
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Dr. Florian Hartmann, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Dr. Sven Kerkhoff, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Markus Prause, Architektenkammer Niedersachsen
Dr. Eric Zimmermann, Architektenkammer Baden-Württemberg
Dipl.-Ing. Walter Ziser, ö.b.u.v. Sachverständiger für Honorare von Architektenleistungen, Architektenkammer Baden-Württemberg - 7. Druckversion der Hinweise als pdf-Datei
Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Architektenleistungen und -verträge
- 1. Allgemeine Situation
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Seit 2020 hält die Corona-Krise die Welt in Atem. Dies hat dazu geführt, dass pandemiebedingt sowohl Vertragspreise als auch Vertragsfristen nicht eingehalten werden konnten. Über den Umgang der Auswirkungen der Pandemie auf Architekten- und Bau-Verträge wurde in der Vergangenheit ein separates Merkblatt erstellt. Zwischenzeitlich überschlagen sich die Ereignisse weltweit und der Krieg in der Ukraine führt zu weiteren massiven Baupreissteigerungen und Lieferengpässen im Baubereich.
Firmen rufen tagesaktuelle Preise aus und erhalten teilweise nur noch gewisse Mengenkontingente an Materialien, was eine Kalkulation der tatsächlichen Kosten für Architekten erschwert bzw. unmöglich macht. Auch Terminplanungen sind in Anbetracht dieser massiven stetigen Veränderungen kaum noch möglich, was dazu führt, dass vielfach Bauverzug bei Bauvorhaben eintreten wird.
Für Bauherren und ihre Sachwalter, die Architekten, bedeutet diese Situation eine erhebliche Herausforderung, da Mehrkosten und Bauverzögerungen geeignet sind, die Investitionsentscheidung des Bauherrn in Frage zu stellen oder dem Bauherrn einfach die finanziellen Mittel ausgehen und er das Bauvorhaben stoppen muss.
Klarzustellen ist zunächst, dass bei Verträgen nach BGB und VOB/B Preisanpassungen grundsätzlich nicht vorgesehen sind, da die Einheitspreisverträge der VOB/B und auch des BGB in der Regel Festpreisverträge sind und somit das Beschaffungsrisiko für Materialien und Stoffe grundsätzlich dem Unternehmer zugewiesen worden ist. Verlagert ein Vertrag ein Risiko auf eine Vertragspartei ist regelmäßig gerade kein Raum für eine Anpassung des Vertrages über das Institut der Störung bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 8.2.1978, VIII ZR 221/76). Somit haben Unternehmer regelmäßig bei geschlossenen Verträgen gerade keinen Anspruch auf Anpassung der Vertragspreise und müssten das Risiko der Preiserhöhungen selbst tragen.
Allmählich scheint sich allerdings eine h. M. in der juristischen Literatur herauszukristallisieren, die in der aktuellen Situation dazu tendiert von einer „höheren Gewalt“ auszugehen (vgl. Zerwell/Holatka, „Bauverträge in Zeiten von Krisen und Krieg“, IBR (Werkstatt-Beitrag v. 30.3.2022), Kues/Simlesa, „Beschaffungsrisiko vs. höhere Gewalt im Ukraine‑Krieg: Wo sind die Grenzen?“, IBR (Werkstatt‑Beitrag v. 15.3.2022)). Damit hätten Unternehmer einen Anspruch auf Mehrvergütung bei nachgewiesenen Materialpreissteigerungen und zeitlicher Anpassung, wenn nachgewiesene Lieferschwierigkeiten eintreten. Wie die Rechtsprechung entscheiden wird, bleibt abzuwarten.
a. Verträge mit der öffentlichen Hand
Bei Verträgen mit der öffentlichen Hand mag das noch richtig erscheinen und auch richtig sein. Die öffentliche Hand ist ein Auftraggeber, der dazu angehalten ist, Steuergelder so zu verteilen, dass diese förderlich dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt werden. Es ist schlicht nicht die Aufgabe der öffentlichen Hand, der Wirtschaft zu schaden, sondern diese zu fördern, solange dies im Interesse der Allgemeinheit ist. Deswegen öffnet der jüngste Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) auch konsequent den Vergabestellen die Möglichkeit, bei bereits geschlossenen Verträgen im Einzelfall von höherer Gewalt auszugehen (vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung und nachgewiesener Mehrkosten, vgl. Erlass des BMWSB v. 25.3.2022, Az.: BWI7-70437/9#4). Die Regelungen des Erlasses sind befristet bis 30.6.2022.
Zudem kann bei Aufträgen der öffentlichen Hand eine Vertragskorrektur über § 58 Bundeshaushaltsordnung (BHO) erfolgen, wenn dem Bund ansonsten höhere Schäden oder Nachteile drohen. Ab einer Anpassung des Vertrages um mehr als 150.000 Euro muss aber eine Genehmigung der nächsthöheren Behörde eingeholt werden. In den Haushaltsordnungen der Bundesländer finden sich ähnliche Regelungen.
Im Hinblick darauf, dass Unternehmer zwar grundsätzlich an die bestehenden Vertragspreise gebunden sind, aber wenig bis kein Interesse daran haben werden, einen Vertrag auszuführen, bei dem sie lediglich Verluste machen oder gar insolvent gehen, erscheinen in diesen Fällen Preisanpassungen durchaus sinnvoll. Zudem ist zu bedenken, dass der Auftraggeber im Falle von Neuausschreibungen des Vertrages Mehrkosten haben wird, die wiederum den aktuellen Marktpreis enthalten und somit im Ergebnis so oder so die Mehraufwendungen bezahlen muss. Ob der dabei entstehende Schaden (die Mehrkosten der Neuvergabe und der aufgetretene Bauverzug) tatsächlich beim ursprünglichen Unternehmer liquidiert werden kann, erscheint zudem fraglich.
Bei Abschluss von Bauneuverträgen hat das BMWSB mit Erlass vom 25.3.2022 (Az.: BWI7-70437/9#4) entschieden, dass Materialpreisgleitklauseln in Verträgen vorzusehen sind. Dies ist in Anbetracht von § 9d VOB/A EU auch nicht verwunderlich. Dieser lautet:
„Sind wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten, deren Eintritt oder Ausmaß ungewiss ist, so kann eine angemessene Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden. Die Einzelheiten der Preisänderungen sind festzulegen.“
Somit besteht eine Verpflichtung bei öffentlichen Aufträgen, selbst wenn nicht Bundesbau betroffen ist, Preisgleitklauseln in der aktuellen Situation vorzusehen. Hier ist dennoch aus Gründen der Vorsicht stets in den jeweiligen Bundesländern und Kommunen nachzufragen, ob der Bundeserlass übernommen wurde.
b. Verträge mit privaten Auftraggebern, Firmen und Unternehmen
Anders stellt sich die Situation aber dar, wenn ein privater Auftraggeber, der nur über ein begrenztes finanzielles Volumen verfügt, mit der aktuellen Situation konfrontiert wird. Bei ihm muss zunächst natürlich der Grundsatz gelten „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten), was bedeutet, dass das Beschaffungsrisiko der Materialien zunächst vom Auftragnehmer zu tragen ist. Warum auch sollte ein Bauherr verpflichtet werden, bestehende Verträge anzupassen? Für die Anwendung des Rechtsinstitutes der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB ist nach hiesiger Ansicht und BGH-Rspr. grundsätzlich kein Raum (vgl. BGH a. a. O.).
Es mehren sich jedoch Stimmen in der Literatur, die dies in der aktuellen Situation anders sehen. Ob es hier zu einer Änderung auch in der Rechtsprechung kommen wird, bleibt abzuwarten. Den Bauherrn hierzu zu beraten, bleibt allein anwaltliche Aufgabe. Unabhängig hiervon führt die jetzige Situation faktisch dazu, dass Firmen die Bauverträge ggf. nicht ausführen können oder kündigen werden. Im Einzelfall wird daher seitens des Bauherrn auch im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung immer sorgfältig abzuwägen sein, ob man dem Unternehmer Mehrkosten genehmigt oder das Risiko der Neuvergabe und der Bauverzögerung eingeschlagen werden wird.
- 2. Die Auswirkungen von Baupreissteigerungen und Lieferverzögerungen auf die Leistung des Architekten und die Haftung
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Die Architekten und Planer stellen die aktuellen Preissteigerungen vor erhebliche Herausforderungen.
a. Auswirkungen auf die Kostenermittlungen gem. DIN 276
Welche Kostenzahl den Bauherrn bei Beginn eines Bauvorhabens zu nennen ist, ist vielfach schwierig bzw. gar nicht mehr vorhersehbar. Die Materialpreise verändern sich derartig rasch in die eine oder andere Richtung, dass eine seriöse Kalkulation kaum möglich sein wird.
Grundsätzlich haben aber Architekten ihre Kostenprognosen in der jetzigen Zeit auf die aktuelle Situation abzustellen. Bauherrn wird hierbei zu raten sein, einen ausreichenden finanziellen Puffer vorzusehen, um sich das Bauvorhaben leisten zu können. Möglicherweise können von Anfang an auch alternative Realisierungsmöglichkeiten vorgesehen werden, um dem Bauherrn so ein möglichst hohes Maß an Kostensicherheit zu gewähren. Steigen bspw. die Stahlpreise, mag es günstiger sein, einen Holzbau zu realisieren und umgekehrt.
Empfehlenswert ist es sicherlich auch, frühzeitig Baupreise bei Unternehmen anzufragen und Unternehmen frühzeitig an den Bauherrn zu binden.
Bei laufenden Aufträgen und laufender Vergaben werden die Kostenprognosen schnellstens korrigiert werden müssen, um den Bauherrn möglichst rasch die Möglichkeit zu geben, auf die eintretenden Kostenveränderungen zu reagieren. Hierbei müssen sich Architekten vor Augen halten, dass der eine oder andere Bauherr nicht mehr in der Lage sein wird, die Mehrmittel bei der Bank finanziert zu bekommen, weil ihm die Bank die notwendigen Mittel nicht zur Verfügung stellt oder weil die Last der Zinsen für den Bauherrn nicht mehr tragbar ist (hierzu später).
Verlangen Unternehmer Mehrkosten, werden Architekten zudem die Nachtragsverhandlungen und die Nachtragsangebote prüfen und dem Bauherrn eine Handlungsempfehlung aussprechen müssen. Hierbei wird die für den Planer herausfordernde Aufgabe darin bestehen, die Gesamtsituation auf Seiten des Bauherrn zu erfassen und daraus eine Handlungsempfehlung herzuleiten.
b. Auswirkungen auf vereinbarte Baukostenobergrenzen
Wurde im Architektenvertrag eine Baukostenobergrenze vereinbart, ist eine Beschaffenheit des Architektenwerkes „ohne Toleranz“ vereinbart. Das bedeutet, dass bei Überschreiten der Baukostenobergrenze ein Mangel der Planungsleistung vorliegt und Architekten grundsätzlich zur Nacherfüllung verpflichtet sind. Allerdings muss das Risiko der aktuellen Preissteigerungen dem Bauherrn zugeordnet werden (Rechtsgedanke aus § 645 BGB), da der Architekt den Mangel nicht durch seine Leistung verursacht hat, sondern dieser durch auf seine Leistung einwirkende Umstände, denen er nicht ausweichen kann, resultiert. Somit trägt der Architekt zwar das Leistungsrisiko, umplanen zu müssen, nicht aber das Preisrisiko, also die Leistungen kostenlos erneut erbringen zu müssen (vgl. Palandt-Retzlaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Auflage, § 645 Rdnr. 2 ff).
Da die Baukostensteigerungen regelmäßig nicht vom Planer verschuldet sind, wird in der Regel ein Anspruch des Bauherrn auf Schadensersatz gegenüber dem Architekten ausgeschlossen sein. Lediglich wenn Architektenverträge mit Baukostenobergrenzen in Kenntnis erheblicher Marktpreisschwankungen akzeptiert werden, kann möglicherweise von einem Verschulden des Planers ausgegangen werden.
Ein weiterer Fall der Haftung des Architekten kann auch dann gegeben sein, wenn er den Bauherrn zu spät oder nicht im gebotenen Umfang über die aktuelle Situation aufklärt oder falsche oder keine Handlungsempfehlung ausspricht.
c. Auswirkungen auf Fertigstellungstermin
Letztlich gilt hier das oben Gesagte entsprechend. Sichere Zusagen können im jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. Das Ausmaß der Verzögerungen in laufenden Bauverträgen zu erfassen und die Terminpläne fortzuschreiben wird die Aufgabe des Architekten bleiben. Eine Haftung für Schadensersatz ist beim Architekten nach unserer Auffassung dann kaum möglich, solange der Umfang und das Ausmaß der Lieferschwierigkeiten für den Architekten zum Zeitpunkt der Erstellung des Terminplanes nicht erkennbar sind. Hierüber sollten Planer aber immer aufklären und dies ggf. dokumentieren.
- 3. Mehrvergütungsansprüche des Architekten
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a. Fortschreibung von bereits erstellten Kostenberechnungen bei Baukostensteigerungen?
Hat der Architekt bereits eine Kostenberechnung erstellt und wurde im Vertrag die Abrechnung der Leistungen auf Basis der HOAI vereinbart, stellt sich die Frage, ob die Kostenberechnung um die gestiegenen Baukosten fortgeschrieben werden darf. Hierbei gelten die zu §§ 10, 4 HOAI bzw. §§ 650b und c BGB entwickelten Grundsätze:
- Ist nichts anderes vereinbart, darf eine Kostenberechnung nicht fortgeschrieben werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des Kostenberechnungsmodells in der HOAI 2009 gerade erreichen, dass Architekten nicht an Baupreissteigerungen verdienen.
- Anders verhält es sich, wenn die Steigerung der Baukosten auf Änderungsanordnungen oder zusätzlichen Leistungen zu vergüten ist. In diesen Fällen ist die Kostenberechnung fortzuschrieben bzw. der zusätzliche Planungsaufwand zu erfassen und ggf. als wiederholt erbrachte Grundleistung zu vergüten (vgl. § 10 HOAI, § 650c BGB).
b. Mehrvergütung für zusätzliche und/oder Besondere Leistungen
Die aktuelle Preisentwicklung bedeutet für Architekten vielfach Mehraufwand, da erforderliche Einsparungen, Umplanungen, Änderungen der Planung oder der Bauabläufe, Neuvergaben durchgeführt werden müssen. Dieser zusätzliche Aufwand, der grundsätzlich nicht aus einer Pflichtverletzung des Architekten resultiert (wie oben dargelegt), stellt somit eine Änderung des Leistungszieles oder eine zusätzliche Leistung dar. Der daraus resultierende Mehraufwand ist dem Architekten grundsätzlich zu vergüten (vgl. § 650q Abs. 2 i. V. m. § 10 HOAI i. V. m. §§ 650b und c BGB).
c. Mehraufwand bei Anordnung eines „Baustopps“ durch den Bauherrn oder Verlängerung der Bauzeit
Kommt der Bauherr zu dem Ergebnis, das Bauvorhaben insgesamt auszusetzen und warten zu müssen bis sich die Baupreise beruhigt haben, liegt eine Unterbrechung des Bauvorhabens vor, sofern keine abschnittsweise oder stufenweise Beauftragung mit dem Planer vereinbart worden war. Der Bauherr hat grundsätzlich die Obliegenheit, den Bauunternehmern und den Bauplanern ein „baureifes Grundstück“ zur Verfügung zu stellen bzw. diejenigen Entscheidungen zu treffen, die erforderlich sind, um das Bauvorhaben im üblichen Maße fortführen zu können. Die Aussetzung eines Bauvorhabens stellt eine Störung eines solchen Bauablaufs dar, die ausschließlich auf die Entscheidung des Bauherrn zurückzuführen ist und bei den Unternehmern eine Behinderung gem. § 642 BGB auslösen kann. Der Bauherr hat bei sog. Behinderungsansprüchen gem. § 642 BGB, Bauunternehmern die Bereitstellungskosten von Produktionsmitteln und Bereithaltung ihrer Produktivität zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17; BGH, Urteil vom 30.1.2020 – VII ZR 33/19).
Die Darlegung des unnötigen Aufwands für die Bereithaltung von Produktionsmitteln ist für Architekten äußerst schwierig bis unmöglich. Einfach ist dies, sofern die Baustellungseinrichtungskosten, bspw. ein Baucontainer, vom Architekturbüro bezahlt werden. Regelmäßig werden diese Kosten aber vom Bauherrn übernommen. Die Bereithaltung von Mitarbeitern ist aus Sicht des Architekten grundsätzlich ebenfalls Produktionsmittel. Allerdings wird ein Planer nachweisen müssen, dass er im Rahmen des Bauablaufs keine andere Möglichkeit des Einsatzes der Mitarbeiter hatte und darüber hinaus nachweisen müssen, dass er keine anderweitigen Aufträge hat, bei denen er die Mitarbeiter einsetzen kann (vgl. § 642 Abs. 2 BGB). Erst, wenn ihm dieser Nachweis gelingt, werden die Mitarbeiterkosten, welche für die Bearbeitung der Planungsleistungen vorgesehen waren, erstattungsfähig sein (bspw. wenn ein Architekturbüro nur zwei größere Aufträge von einem Auftraggeber hat, die beide vom Auftraggeber aufgrund der Pandemie ausgesetzt werden. In diesem Fall hätte das Büro sich aber um Füllaufträge zu bemühen).
Wurden mit dem Bauherrn feste Vertragsfristen für die Leistungen des Auftragnehmers vereinbart und kann der Bauherr diese Vertragsfristen nicht erfüllen, ist dem Grunde nach ein Anspruch auf Mehrvergütung gegeben, wenn der Bauherr die Bauabläufe ändert. Dieser Mehrvergütungsanspruch stellt primär eine Vertragsänderung dar, die sich Auftragnehmer quasi erkaufen müssen, um sie beim Auftraggeber durchzusetzen. Bauherrn haben in der Regel einen Anreiz die vereinbarten Vertragsfristen zu ändern, um möglichen Schadensersatzforderungen der Auftragnehmer zu entgehen. Da den Bauherrn aber kein Verschulden trifft, werden diese im Zweifel keinen Schadensersatz zahlen müssen und somit keine kostenpflichtigen Änderungen des Vertrages anordnen.
d. Ersatzansprüche bei Beendigung des Vertrages durch den Bauherrn
Kündigen Bauherrn ihre Verträge, die sie mit den Planern geschlossen haben vorzeitig, weil die Realisierbarkeit der Baumaßnahme für sie aufgrund der Baupreissteigerungen oder der Bauverzögerungen unmöglich ist, stellt sich ebenfalls die Frage, ob der Architekt dann Anspruch auf die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen gem. § 648 BGB hat. Vielfach wird in Fällen, in denen der Bauherr die Realisierungsabsichten des Bauvorhabens wegen eines vom Hersteller gelieferten Stoffes aufgegeben hat, vertreten, dass § 648 BGB nicht zur Anwendung kommt, sondern ein Fall des § 645 BGB vorliegt. Der Unterschied ist erheblich, da nach § 645 BGB nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu vergüten sind (vgl. bspw. OLG Jena, Urteil vom 3.2.2010 – 4 U 431/02; BGH, Beschluss vom 26.1.2012 – 7 O 966/98).
e. Anpassungsmöglichkeiten für laufende Architektenverträge
Aufgrund der aktuell hohen Schwankungen der Marktpreise und der fehlenden Möglichkeiten der HOAI auf diese zu reagieren, kann versucht werden mit dem Bauherrn ein Honorarausgleich für den entstehenden Mehraufwand in Verträgen zu vereinbaren.
Zu erwägen sein kann bei entsprechenden Projekten durch individualvertragliche Vereinbarung abweichend von der HOAI einen fortlaufenden Bezug der anrechenbaren Kosten zu den aktuellen Baukosten für die Honorarermittlung herzustellen.
Hier kommen u.a. folgende Modelle in Betracht:
- Quartalsweise laufende Aktualisierung der Kostenberechnung, auch als Grundlage für die Abrechnung des Honorars
- Schlussrechnung nach Baufertigstellung (Abschluss LPH 8) über alle Leistungsphasen 3 – 8 anhand der Werte der Kostenfeststellung
- Stufenweise Abrechnung; also Abrechnung der LPH 1 – 4 auf Basis der Kostenberechnung, Abrechnung auf Basis des Kostenvoranschlags, alternativ den Kostenvoranschlag bei Bearbeitungsende in LPH 5/6 oder Kostenanschlag bei Bearbeitungsende in LPH 7
- Vereinbaren von Besonderen Leistungen bspw. für das Fortschreiben der Kostenberechnungen etc.
In laufenden Vertragsverhältnissen kann versucht werden, eine solche Regelung durch Vertragsergänzung nachträglich zu vereinbaren.
- 4. Fazit
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- Für öffentliche Auftraggeber wurde über den Erlass des BMWSB (Az.: BW I7‑70437/9#4) die Möglichkeit eröffnet, Preisanpassungen von Verträgen vorzunehmen.
- Bei privaten Auftraggebern bleibt es bei der grundsätzlichen Preisbindung des Unternehmers an die vereinbarten Preise. Architekten sollten ihre Bauherren aber mit Weitsicht beraten und auch darauf hinweisen, welche Risiken ein Festhalten an den vereinbarten Preisen hat. Es gibt Stimmen, die eine Störung der Geschäftsgrundlage für grundsätzlich möglich halten.
- Bei Neubauvorhaben sollten diese Risiken in den Kostenprognosen und den Bauzeitprognosen berücksichtigt und mit dem Bauherrn kommuniziert werden.
- Können bestehende Kosten- und Terminprognosen nicht eingehalten werden, trifft den Architekten hieran regelmäßig kein Verschulden und somit keine Schadensersatzpflicht, da die Umstände, die auf die Leistungen einwirken, aus der Risikosphäre des Bauherrn resultieren (Rechtsgedanke aus § 645 BGB) und als Änderungsleistungen vergütet werden müssen. Dies gilt auch bei Baukostenobergrenzen.
- Sofern Änderungsleistungen oder Umplanungen, Neuvergaben oder sonstige zusätzliche Leistungen beim Planer erforderlich werden, sind diese nach Anordnung des Bauherrn zu vergüten.
- In Anbetracht der aktuellen Situation wird es nicht verwundern, wenn Bauherrn vielfach ihre laufenden Bauvorhaben zurückstellen bzw. deren Realisierung aussetzen. In diesem Fall steht dem Planer in jedem Fall ein Honorar für die erbrachten Leistungen zu. Ob bei Aufgabe der Realisierungsabsicht weitergehende Ansprüche aus § 648 BGB gegeben sein werden, wird die Rspr. zu beantworten haben.
- 5. Impressum
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1. Auflage, Stand 6.4.2022
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Rechtsanwalt Karsten Meurer, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Meurer Rechtsanwälte Stuttgart
- 6. Druckversion der Hinweise als pdf-Datei
Reaktionen der Bundesregierung auf Preissteigerungen, Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe
- 1. Hinweise für die Beschaffung von Bauleistungen
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- Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) vom 6.12.2022 zur Verlängerung der Sonderregelungen bis zum 30.6.2023
- Erlass des BMWSB vom 22.6.2022 zur Verlängerung und Nachschärfung der Sonderregeln zu den Materialengpässen und Stoffpreissteigerungen aufgrund des Ukraine-Kriegs
- Erlass des BMWSB vom 25.3.2022
- Erlass des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vom 25.3.2022
- 2. Hinweise für die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen